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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Feuchtigkeit auf ihr lastete. Sobald Lee und seine Mutter allein im Haus waren, deckte er die alte Fotze noch mit zwei Extradecken zu und drehte den Morphiumtropf ab, damit sie auch ja spürte, wie warm und schwül es war. Bei Gott, er selbst musste es schließlich auch ertragen! Nachmittags tappte er nackt im Haus herum, ganz klebrig vom Schweiß, aber anders hielt er es nicht aus. Er saß im Schneidersitz neben ihrem Bett und las Bücher über Medientheorie, während sie
sich unter ihren Decken wand und zu weggetreten war, um noch mitzubekommen, warum sie in ihrer ausgetrockneten gelblichen Haut vor sich hin schmorte. Wenn sie nach etwas zu trinken rief - »Durst« war anscheinend das einzige Wort, das sie noch herausbrachte, während sie allmählich senil wurde und ihre Nieren versagten -, stand Lee auf und holte kaltes Wasser. Hörte sie dann, wie das Eis in dem Glas klirrte, begann sie trocken zu schlucken, und ihre gierig glänzenden Augen rollten in den Höhlen nach oben. Lee blieb neben dem Bett stehen, darauf bedacht, dass sie ihn sehen konnte, und trank das Eiswasser langsam aus. Die Begierde wich aus ihrer Miene, und sie musterte ihn sichtlich verwirrt und verzweifelt. Von diesem Witz bekam er nie genug, denn jedes Mal, wenn er das Glas austrank, tat er das in ihren Augen zum ersten Mal.
    Dann wieder brachte er ihr Salzwasser und zwang sie, es hinunterzuschlucken. Schon beim ersten Schwall fing seine Mutter an zu röcheln und wollte es wieder ausspucken. Schon erstaunlich, wie lange sie durchgehalten hatte. Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie die zweite Juniwoche erleben würde; aber wider alle Erwartungen klammerte sie sich bis Ende Juli an ihr Leben.
    Vor dem Gästezimmer legte er auf einem Bücherregal einen Stapel Kleider bereit, damit er sich schnell anziehen konnte, falls Ig oder Merrin überraschend vorbeischauten. Er ließ sie nicht zu seiner Mutter ins Zimmer, sondern behauptete stets, sie sei gerade eingeschlafen und brauche ihre Ruhe. Er wollte nicht, dass sie bemerkten, wie warm es da drin war.
    Ig und Merrin brachten ihm DVDs, Bücher, Pizza und Bier. Sie kamen gemeinsam oder einzeln, wollten ihm Gesellschaft leisten, wollten sehen, wie es ihm ging. Lee glaubte,
dass Ig ein wenig neidisch war. Ihm hätte es gefallen, wenn seine Eltern schwer krank und auf seine Fürsorge angewiesen wären. Dann hätte er eine Gelegenheit gehabt, zu zeigen, wie aufopferungsvoll und unerschütterlich edelmütig er sein konnte. Merrin dagegen schien es zu gefallen, sich in dem aufgeheizten Haus aufzuhalten, Martinis zu trinken und den obersten Knopf ihrer Bluse aufzuknöpfen. Wenn Merrin in der Einfahrt parkte, machte Lee ihr für gewöhnlich ohne Hemd auf, weil es ihn erregte, halb angezogen allein mit ihr zu sein. Na ja, allein mit ihr und seiner Mutter, aber die zählte nicht mehr.
    Lee war angewiesen worden, den Arzt zu rufen, falls es seiner Mutter schlechter gehen sollte, aber eigentlich wartete er nur auf ihren Tod. Als es schließlich so weit war, rief er zuallererst Merrin an. In jenem Moment war er nackt, und es fühlte sich ziemlich gut an, wie er so in der dämmerigen Küche stand und Merrins besorgter Stimme lauschte. Sie sagte, sie müsse sich nur rasch anziehen und dann komme sie sofort, und Lee sah sie vor sich, wie sie fast nackt in ihrem Zimmer stand. Vielleicht trug sie einen Seidentanga oder einen Mädchenslip mit rosafarbenen Blümchen darauf. Sie fragte, ob er irgendetwas brauche. Lee erwiderte, er brauche nur einen Freund.
    Er legte auf und machte sich noch einen Drink, Rum mit Cola. Er stellte sich vor, wie sie eine Bluse aussuchte und sich nach allen Seiten drehte, um sich im Spiegel auf der Innenseite der Schranktür zu bewundern. Dann musste er aufhören, an sie zu denken, weil ihn das doch etwas zu sehr antörnte. Vielleicht sollte er auch etwas anziehen. Er überlegte, ob er in ein Hemd schlüpfen sollte, und befand schließlich, dass jetzt kein guter Zeitpunkt war, um halbnackt herumzulaufen. Das schmutzige weiße Hemd und seine Jeans
von gestern waren im Wäschekabuff. Sollte er nach oben gehen, um etwas Frisches zu holen? Was würde Ig jetzt tun? Am besten zog er sich seine alten Sachen an. Zerknitterte, ungewaschene Klamotten würden zu dem schmerzhaften Verlust passen, den er gerade erlitten hatte. Schon seit fast einem Jahrzehnt stellte sich Lee immer wieder diese eine Frage: Was würde Ig jetzt tun? Und sie hatte ihm das Leben gerettet und ihn vor zahlreichen

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