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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Mal eine Mistgabel mitnehmen«, sagte sie schließlich.
    Ig stolperte, als hätte sie die Mistgabel gerade nicht nur erwähnt, sondern sie ihm auch gleich in den Rücken gerammt.
    »Warum eine Mistgabel?«, fragte er.
    »Um dieses Gespenst zu verjagen. Falls es zurückkommt und da reinwill, während wir nackt sind.«
    »Okay«, sagte Ig, der allein bei der Vorstellung, dort oben auf den Brettern wieder mit ihr zu vögeln, einen trockenen Mund bekam. »Guter Plan.«

    Aber zwei Stunden später kehrte Ig allein dorthin zurück und hastete den Pfad durch den Stadtwald entlang. Beim Abendessen war ihm eingefallen, dass sie vergessen hatten, die Kerzen in dem Leuchter auszublasen, und seither schlug ihm das Herz bis zum Hals. Bestimmt standen die Bäume schon in Flammen, und die brennenden Blätter wurden in die Kronen der umstehenden Eichen geweht. Er beeilte sich, von der entsetzlichen Angst getrieben, jeden Moment das Feuer zu riechen.
    Aber er roch nur den frühsommerlichen Duft des von der Sonne getrockneten Grases und hörte das ferne klare und kalte Rauschen des Knowles River, der auf der anderen Seite des Hügels vorbeiströmte. Er glaubte, genau zu wissen, wo sich das Baumhaus befand, und als er sich der Stelle näherte, ging er etwas langsamer und suchte die Bäume nach dem schwachen Schein der Kerzen ab. Aber er sah nichts außer der samtenen Junifinsternis. Er ließ den Blick schweifen, konnte den gewaltigen Baum mit der schuppigen Rinde, den er nicht hatte bestimmen können, jedoch nirgendwo entdecken. Allerdings konnte man nachts einen Baum kaum vom nächsten unterscheiden, und auch der Pfad sah anders aus als bei Tageslicht. Schließlich erkannte er, dass er zu weit gelaufen war - viel zu weit -, und machte sich auf den Weg nach Hause. Sein Atem ging schwer, und er setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Er suchte den Pfad mehrfach ab, in die eine wie in die andere Richtung, aber von dem Baumhaus fehlte jede Spur. Schließlich gelangte er zu der Überzeugung, dass der Wind die Kerzen ausgeblasen hatte oder dass sie von selbst erloschen waren. Vielleicht hatte er es mit seiner Angst vor einem Waldbrand ein bisschen übertrieben. Schließlich steckten die Kerzen in einem schweren eisernen Leuchter, und sofern dieser nicht
umfiel, würde schon nichts Feuer fangen. Er konnte das Baumhaus ein andermal wiederfinden.
    Aber das sollte ihm nie gelingen, weder zusammen mit Merrin noch allein. An zahllosen Nachmittagen suchte er danach und folgte dem Hauptpfad und sämtlichen Abzweigungen nur für den Fall, dass sie vom eigentlichen Weg abgekommen waren. Er betrieb seine Suche nach dem Baumhaus mit methodischer Sorgfalt, aber es blieb unauffindbar. Als hätten sie sich ihr Abenteuer nur eingebildet, und zu ebendiesem Schluss gelangte Merrin im Laufe der Zeit - eine absurde Hypothese, aber sie kam ihnen beiden gelegen. Als sie es brauchten, war das Baumhaus eines schönen Tages einfach da gewesen, ein Ort, wo sie sich lieben konnten; und dann war es plötzlich wieder weg.
    »Wir haben es gebraucht?«, sagte Ig.
    »Nun ja«, sagte Merrin, »ich schon. Ich war einfach total spitz.«
    »Wir haben es gebraucht, und da ist es aufgetaucht. Ein magisches Baumhaus. Unser ganz persönlicher Tempel«, sagte Ig. Und so phantastisch und lächerlich das klang, bei der Vorstellung verspürte er einen Schauder abergläubischer Erregung.
    »So wird’s wohl gewesen sein«, sagte sie. »Das ist wie in der Bibel. Du bekommst nicht immer das, was du willst, aber wenn du wirklich was brauchst, dann findest du es auch.«
    »Aus welchem Teil der Bibel stammt das?«, wollte Ig wissen. »Aus dem Evangelium nach Keith Richards?«

DIE ORDNUNG DER DINGE

KAPITEL 31
    Seine Mutter lag tot im Zimmer nebenan, und Lee Tourneau hatte einen sitzen.
    Es war erst zehn Uhr morgens, aber das Haus hatte sich bereits in einen Ofen verwandelt. Der Duft der Rosen, die seine Mutter entlang dem Weg gepflanzt hatte, der zum Eingang führte, wehte durch das offene Fenster herein, und der süßliche Geruch der Blüten vermengte sich auf eher unangenehme Weise mit dem ranzigen Gestank menschlicher Ausscheidungen - das ganze Haus roch wie ein parfümierter Scheißhaufen. Lee hatte das Gefühl, dass es zu heiß war, um sich zu betrinken, aber nüchtern konnte er ihren Gestank nicht mehr ertragen.
    Sie hatten zwar eine Klimaanlage, aber die lief nicht. Lee hatte sie schon vor Wochen ausgeschaltet, weil seiner Mutter das Atmen noch schwerer fiel, wenn die

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