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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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wäre ein Fehler«, sagte Lee.
    »Ein paar Fehler muss man schon mal machen«, erwiderte Merrin. »Wenn nicht, denkt man wahrscheinlich zu viel nach. Und das ist der größte Fehler überhaupt.«
    »Und was ist mit seiner Frau und seiner Tochter?«
    »Hm. Darüber bin ich mir nicht so recht im Klaren. Immerhin ist es seine dritte Frau, so völlig aus allen Wolken fallen wird sie also kaum.« Merrin runzelte die Stirn. »Glaubst du, dass sich jeder Mann früher oder später langweilt?«
    »Ich glaube, dass die meisten Typen von Dingen träumen, die sie nicht haben. Ich weiß, dass ich noch nie etwas mit einer Frau hatte, ohne dabei gleichzeitig von anderen zu träumen.«
    »Und wie lange dauert es, bevor der Typ an andere Mädchen denkt? Wann fängt das an?«
    Lee legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke, als würde er nachdenken. »Keine Ahnung. Beim ersten Date vielleicht nach einer Viertelstunde. Kommt auf die Kellnerin an.«
    Merrin grinste. »Manchmal bekomme ich mit, wie Ig anderen Frauen nachschaut. Nicht oft. Wenn er weiß, dass ich in der Nähe bin, nimmt er sich zusammen. Aber als wir diesen Sommer unten am Cape Cod waren und ich zum
Auto zurückgegangen bin, um die Sonnencreme zu holen, da fiel mir ein, dass ich sie doch in meine Jackentasche getan hatte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ich so bald wieder zurück sein würde, und glotzte ein Mädchen an, die auf dem Bauch lag und ihr Bikinioberteil hinten geöffnet hatte. Hübsches Mädchen, vielleicht neunzehn oder zwanzig. Auf der Highschool hätte ich ihm den Kopf abgerissen, aber ich hab nichts gesagt. Was hätte ich auch sagen sollen? Außer mir war er noch mit niemandem zusammen.«
    »Tatsächlich?«, sagte Lee ungläubig, obwohl er es natürlich wusste.
    »Meinst du, wenn er vierunddreißig ist, hat er das Gefühl, ich wäre schuld daran, dass er etwas verpasst hat? Will er dann plötzlich alles nachholen?«
    »Ich bin mir sicher, dass er auch jetzt schon von anderen Mädchen träumt«, sagte Merrins Mitbewohnerin, während sie an ihnen vorbeirauschte. In der einen Hand hielt sie ein Hot Pocket, in der anderen ihr Handy. Sie verschwand in ihrem Zimmer und knallte die Tür zu. Nicht etwa, weil sie wütend gewesen wäre, sondern einfach weil sie zu der Sorte Menschen gehörte, die Türen zuknallten, ohne dass sie es bemerkten.
    Merrin lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. »Richtig oder falsch? Was sie gesagt hat?«
    »Klar schaut er den Bikinischönheiten hinterher. Vielleicht hat er sogar Spaß daran, sich irgendwas vorzustellen. Aber das findet nur in seinem Kopf statt, also spielt es keine Rolle, oder?«
    Merrin beugte sich wieder vor und sagte: »Glaubst du, dass Ig in England was mit anderen Frauen haben wird? Um es einfach mal auszuprobieren? Oder meinst du, er hätte Angst, es sich mit mir und den Kids zu verscherzen?«

    »Welchen Kids?«
    »Den Kids eben. Harper und Charlie. Über die sprechen wir, seit ich neunzehn war.«
    »Harper und Charlie?«
    »Harper ist das Mädchen, nach Harper Lee. Meine Lieblingsschriftstellerin, obwohl sie nur einen Roman geschrieben hat. Charlie, wenn es ein Junge wird. Weil Ig immer so lachen muss, wenn ich ›Halli, Challi‹ sage.« Lee gefiel es überhaupt nicht, wie sie das sagte. Sie wirkte glücklich und schien mit den Gedanken ganz woanders zu sein, so als sähe sie ihre Kinder bereits vor sich.
    »Nein«, sagte Lee.
    »Was nein?«
    »Ig wird nicht fremdgehen. Außer du gehst vorher fremd und sorgst dafür, dass er davon erfährt. Dann vielleicht schon. Sieh es mal andersrum. Hast du keine Angst, du könntest mit fünfunddreißig das Gefühl haben, etwas verpasst zu haben?«
    »Nein«, sagte sie mit Bestimmtheit. »Ich glaube nicht, dass ich mit fünfunddreißig das Gefühl haben werde, etwas verpasst zu haben. Ach, irgendwie ist das eine schreckliche Vorstellung.«
    »Was denn?«
    »Fremdgehen, nur um ihm dann davon zu erzählen.« Sie sah ihn nicht an, sondern hatte sich dem Fenster zugewandt. »Allein bei dem Gedanken wird mir übel.«
    Seltsamerweise war sie tatsächlich etwas blass um die Nase. Außerdem hatte sie schwarze Ringe unter den Augen, und ihrem Haar fehlte jegliche Spannkraft. Lee war das bisher entgangen. Sie spielte mit einer Papierserviette und faltete sie in immer kleinere Quadrate.
    »Alles klar? Du wirkst irgendwie neben der Kappe.«

    Ihre Mundwinkel zuckten, und sie lächelte bemüht. »Ich glaub, ich hab mir was eingefangen. Mach dir keine Sorgen. Solange

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