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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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rüberzukommen! Aber gegen eine Frau anzutreten, die sich aufopferungsvoll um einen sterbenskranken Ehemann kümmerte - das war eine Katastrophe. Es hing viel davon ab, wie die Medien die Sache aufnehmen würden. Konnten sie es so hindrehen, dass die Gouverneurin nicht davon profitieren würde? Vielleicht. Es gab vielleicht tatsächlich etwas, für das es sich zu beten lohnte - eine Chance, die ganze Sache wieder in Ordnung zu bringen.

    Nach einer Weile stieß der Kongressabgeordnete einen Seufzer aus, und damit war das Gebet beendet. Sie blieben völlig unbefangen nebeneinander knien.
    »Meinen Sie, ich sollte nicht kandidieren?«, fragte der Kongressabgeordnete. »Aus Anständigkeit?«
    »Die Krankheit ihres Mannes ist eine Tragödie«, sagte Lee. »Aber ihre Politik ist es auch. Es geht hier nicht nur um die Gouverneurin. Sondern um jeden einzelnen Einwohner dieses Bundesstaats.«
    Der Kongressabgeordnete erschauderte und sagte: »Ich schäme mich schon, wenn ich nur daran denke. Als wären meine gottverdammten politischen Ambitionen alles, was zählt. Stolz ist eine Sünde, Lee. Stolz ist eine Sünde.«
    »Wir wissen nicht, was nun passieren wird. Vielleicht wird sie zurücktreten, um mehr Zeit für ihn zu haben, und lässt sich gar nicht erst wieder aufstellen. Und dann sollten wir das Feld nicht jemand anderem überlassen.«
    Der Kongressabgeordnete erschauderte wieder. »Darüber sollten wir jetzt nicht sprechen. Nicht jetzt. Das gebührt sich nicht. Hier geht es um das Leben und die Gesundheit eines Menschen. Ob ich mich nun um das Amt des Gouverneurs bewerbe oder nicht, ist gänzlich bedeutungslos.« Er wippte auf den Knien hin und her und starrte blicklos auf den Fernsehschirm. Dann leckte er sich über die Lippen und sagte: »Aber wenn sie zurücktritt, wäre es vielleicht unverantwortlich, nicht zu kandidieren.«
    »Bei Gott, ja«, sagte Lee. »Stellen Sie sich doch vor, Bill Flowers wird zum Gouverneur gewählt. Der bringt es fertig, im Kindergarten Sexualkunde einzuführen und lässt in der Grundschule Kondome verteilen. ›Also gut, Kinder, alle mal die Hand heben, die Homosexualität buchstabieren können.‹«

    »Hören Sie auf!«, sagte der Kongressabgeordnete, aber er lachte dabei. »Sie sind scheußlich.«
    »Sie wollten es ja sowieso erst in fünf Monaten bekanntgeben«, sagte Lee. »Bis dahin kann viel geschehen. Die Leute werden nicht für die Gouverneurin stimmen, nur weil ihr Mann krank ist. John Edwards hat es auch nichts gebracht, dass seine Ehefrau krank war. Im Gegenteil, es sah so aus, als wäre ihm seine Karriere wichtiger als ihre Gesundheit.« Und es würde noch weit schlimmer aussehen, wenn eine Frau Reden hielt, während ihr Mann in einem Rollstuhl neben dem Podium spastisch herumzuckte. Wollten die Wähler sich so was tatsächlich noch weitere drei Jahre im Fernsehen anschauen? Würden sie für eine Frau stimmen, der ein Wahlkampf wichtiger war, als sich um ihren Mann zu kümmern? »Die Leute interessieren sich für Argumente und wählen nicht aus Mitleid.« Das war natürlich eine Lüge; die Leute wählten mit ihren Nervenenden. Und darin lag eine Chance, die Dinge in Ordnung zu bringen. Er würde die Krankheit ihres Mannes heimlich, still und leise dazu benutzen, sie schlecht aussehen zu lassen - als gleichgültige, gefühllose Frau. Es gab immer eine Möglichkeit, die Dinge in Ordnung zu bringen. »Bis Sie an die Öffentlichkeit gehen, ist das alles Schnee von gestern. Die Leute werden längst über etwas anderes reden wollen.«
    Aber Lee war sich nicht mehr sicher, ob ihm der Kongressabgeordnete überhaupt noch zuhörte. Er starrte gebannt auf den Fernseher. Terry Perrish war auf seinem Stuhl in sich zusammengesunken - er tat so, als wäre er tot, und hatte den Kopf in einem unnatürlichen Winkel schräg gelegt. Sein Gast, der spindeldürre englische Rockstar, machte über ihm das Kreuzzeichen.
    »Sind Sie nicht mit ihm befreundet? Mit Terry Perrish?«

    »Mehr mit seinem Bruder. Ig. Eine großartige Familie, die Perrishs, jeder Einzelne von ihnen. In meiner Jugend waren sie sehr wichtig für mich.«
    »Ich habe sie nie kennengelernt. Die Familie Perrish.«
    »Ich glaube, sie tendieren eher zu den Demokraten.«
    »Den Leuten sind ihre Freundschaften oft wichtiger als ihre Parteien«, sagte der Kongressabgeordnete. »Vielleicht könnten wir Freunde werden?« Er boxte Lee gegen die Schulter, als wäre ihm plötzlich etwas eingefallen. Seine Migräne hatte er anscheinend

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