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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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angeordnet waren.
    »Was ist denn das für ein Spiel?«
    »Ach«, sagte sie, steckte den Stapel in ein Lehrbuch und legte es auf das Fensterbrett, »meine Mitbewohnerin. Das kennst du doch bestimmt. Da muss man lauter Punkte aufmalen und sie dann zu Quadraten miteinander verbinden, und wer die meisten Quadrate hat, gewinnt. Der Verlierer muss die Wäsche machen. Sie hat ihre Sachen schon seit Monaten nicht mehr selbst gewaschen.«
    »Zeig mir das doch mal«, sagte Lee. »Darin bin ich gut. Ich könnte dir einen Tipp geben.« Er hatte nur einen kurzen Blick darauf geworfen, aber für ihn sah es so aus, als wäre nicht einmal das Raster richtig gezeichnet. Vielleicht spielten sie nach anderen Regeln als die, die er kannte.
    »Aber dann würde ich sie doch betrügen. Du willst doch nicht etwa, dass ich jemanden betrüge?«, sagte Merrin.
    Sie sahen einander an, und keiner wich dem Blick des anderen aus. »Ich will, was du willst«, sagte Lee.
    »Nun ja. Ich sollte wohl versuchen, anständig und ehrlich zu gewinnen.«

    Sie saßen einander gegenüber. Lee schaute sich um. Besonders toll war die Wohnung nicht: ein Wohnzimmer mit Kochnische und zwei Schlafzimmer im Obergeschoss eines weitläufigen Hauses in Cambridge, in dem fünf Parteien wohnten. Über ihnen stampfte ein Techno-Bass.
    »Kannst du denn ohne Mitbewohnerin die Miete aufbringen?«
    »Nein. Irgendwann muss ich mir wohl wieder jemanden suchen.«
    »Ig würde dir bestimmt was zuschießen.«
    »Er würde sogar alles bezahlen«, sagte sie. »Aber ich möchte mich nicht aushalten lassen. Wäre nicht das erste Mal, dass mir das jemand anbietet.«
    »Was meinst du damit?«
    »Vor ein paar Monaten hat mich einer meiner Professoren zum Mittagessen eingeladen. Ich dachte, er will mit mir über meine Assistenzzeit reden. Stattdessen hat er eine Flasche Wein für zweihundert Dollar bestellt und erklärt, dass er eine Wohnung in Back Bay für mich mieten will. Stell dir vor, der Kerl ist sechzig und hat eine Tochter, die zwei Jahre älter ist als ich.«
    »Verheiratet?«
    »Natürlich.«
    Lee lehnte sich zurück und pfiff durch die Zähne. »Ig ist bestimmt ausgerastet!«
    »Ich hab ihm nichts davon erzählt. Und ich möchte auch nicht, dass du ihm etwas sagst. Eigentlich hätte ich es gar nicht erst erwähnen sollen.«
    »Warum hast du Ig nichts davon erzählt?«
    »Weil ich mit dem Typ noch zusammenarbeiten muss. Ich möchte nicht, dass Ig ihn wegen sexueller Belästigung anzeigt oder so was.«

    »Das würde er nicht tun.«
    »Nein. Wahrscheinlich nicht. Aber er hätte von mir verlangt, dass ich ihm aus dem Weg gehe. Und das wollte ich nicht. Ganz gleich, wie er sich in seinem Privatleben benimmt - der Kerl ist einer der besten Onkologen im ganzen Land, und zu der Zeit wollte ich sehen, was er mir beibringen kann.«
    »Und jetzt ist dir das nicht mehr so wichtig?«
    »Ach, verdammt. Ich muss nicht die Klassenbeste sein. Manchmal glaube ich, dass ich froh sein kann, wenn ich überhaupt den Abschluss schaffe«, sagte sie.
    »Ach, hör auf. Du bist doch eine hervorragende Studentin!« Lee hielt kurz inne und fragte dann: »Wie hat der alte Mistkerl es aufgenommen? Als du ihm gesagt hast, er soll sich verpissen?«
    »Mit einem Lächeln. Der Wein war erstklassig. Aus den frühen Neunzigern, von einem kleinen Familienweingut in Italien. Ich hatte den Eindruck, dass er den gleichen Wein schon mit einigen anderen Studentinnen getrunken hat. Jedenfalls habe ich ihm nicht gesagt, er soll sich verpissen. Ich hab ihm erklärt, dass ich in jemand anderen verliebt bin, und außerdem fände ich es unangemessen, solange ich bei ihm studiere, aber unter anderen Umständen würde ich es mir durchaus überlegen.«
    »Wie liebenswürdig.«
    »Es war ehrlich gemeint. Wenn ich nicht seine Studentin wäre und wenn ich Ig nie kennengelernt hätte? Dann könnte ich mir schon vorstellen, mit ihm auszugehen. Vielleicht um einen europäischen Film anzuschauen oder so.«
    »Jetzt willst du mich aber verarschen! Hast du nicht gesagt, dass er ein alter Sack ist?«
    »Alt genug, um demnächst in Pension zu gehen.«

    Lee ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken. Er empfand etwas, das ihm neu war: Abscheu. Und Überraschung. »Im Ernst?«
    »Klar. Er könnte mir etwas über guten Wein beibringen. Und über Bücher. Über all die Sachen, von denen ich so wenig weiß. Wäre doch interessant, das Leben mal durch das andere Ende des Teleskops zu betrachten. Eine unmoralische Affäre zu haben.«
    »Das

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