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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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die Zuschauer waren begeistert. Terry wusste gar nicht mehr wohin mit der vielen Kohle.
    Auch er hatte seine ganz eigene Spielweise, die sich jedoch von der seines Vaters unterschied. Seine Brust wölbte sich so stark, dass es aussah, als platzten ihm jeden Moment die Hemdknöpfe auf. Die Augen traten ihm aus den Höhlen, als käme er aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er wippte in der Taille vor und zurück wie ein Metronom. Sein Gesicht glänzte vor Glückseligkeit, und manchmal klang es, als schrie seine Trompete vor Lachen. Von seinem Vater hatte er eine Fähigkeit geerbt, die nicht mit Gold aufzuwiegen war: Je mehr er übte, umso natürlicher und spontaner klang es.
    Als Teenager hatte es Ig gehasst, seinem Bruder zuzuhören, und er erfand mit schöner Regelmäßigkeit Ausreden, um nicht zu Terrys Auftritten gehen zu müssen. Vor Neid bekam er Magengrimmen, und wenn Terry in der Schule oder, später dann, in einem Club einen großen Auftritt hatte, konnte er in der Nacht davor nicht schlafen. Besonders zuwider war es ihm, mit Merrin unter den Zuschauern zu sein und mit anzusehen, wie begeistert sie war und wie sehr die Musik sie in ihren Bann zog. Wenn sie im Rhythmus von Terrys Swingmelodien hin und her wippte, stellte sich Ig stets vor, Terry würde mit unsichtbaren Händen nach ihren Hüften greifen. Inzwischen war er darüber hinweg. Er freute sich sogar jedes Mal darauf, Hothouse zu schauen und Terry spielen zu sehen.
    Ig hätte auch gern Trompete gespielt, aber sein Asthma ließ das nicht zu. Er bekam nie genug Luft, um das Instrument
so richtig aufheulen zu lassen. Er wusste, dass sein Vater ihn gern hätte spielen sehen, aber wenn Ig sich anstrengte, ging ihm der Sauerstoff aus, seine Brust wurde ihm zu eng, und ihm wurde schwarz vor Augen. Manchmal hatte er sich so sehr angestrengt, dass er das Bewusstsein verlor.
    Als klargeworden war, dass es mit der Trompete nichts werden würde, hatte er es mit dem Klavier versucht, aber auch das war schiefgegangen. Der Lehrer, ein Freund seines Vaters, war ein Säufer mit blutunterlaufenen Augen gewesen, der nach Pfeifenqualm stank und Ig ein hoffnungslos schwieriges Stück üben ließ, während er nach nebenan ging, um ein Nickerchen zu machen. Daraufhin hatte Igs Mutter Kontrabass vorgeschlagen, aber Ig war inzwischen nicht mehr daran interessiert, irgendein Instrument zu meistern. Sein ganzes Interesse galt jetzt Merrin.
    Er würde seine Familie demnächst besuchen müssen: seinen Vater und seine Mutter und auch Terry. Hothouse hatte Sommerpause, und sein Bruder war mit einem späten Flieger gekommen, um morgen den achtzigsten Geburtstag ihrer Großmutter zu feiern. Terry war zum ersten Mal seit Merrins Tod wieder in Gideon, und er würde nicht lange bleiben, sondern übermorgen wieder zurückfliegen. Ig konnte ihm das nicht verdenken. Der Skandal hatte genau zu dem Zeitpunkt die Runde gemacht, als seine Show so richtig abhob, und das hätte ihm den Kopf kosten können. Es sagte eine Menge über Terry aus, dass er überhaupt nach Gideon zurückkam, denn damit riskierte er, mit seinem Bruder, dem Vergewaltiger und Mörder, fotografiert zu werden, und ein solches Bild wäre dem Enquirer mindestens einen Tausender wert. Allerdings hatte Terry auch nie an Igs Schuld geglaubt. Er hatte seinen Bruder lautstark verteidigt, und das zu einem Zeitpunkt, als es dem Sender
lieber gewesen wäre, er hätte sich mit einem knappen »Kein Kommentar« von der Kamera abgewandt. Vorerst würde Ig seiner Familie aus dem Weg gehen, aber früher oder später würde er ihnen gegenübertreten müssen. Vielleicht, so dachte er, war es bei ihnen anders. Vielleicht waren sie immun und würden ihre Geheimnisse für sich behalten. Sie liebten ihn, und er liebte sie, das musste doch etwas ausmachen. Vielleicht konnte er lernen, es zu beherrschen, es abzuschalten - was auch immer »es« sein mochte. Vielleicht würden die Hörner wieder verschwinden. Sie waren ohne Vorwarnung aufgetaucht, warum sollte er sie also nicht genauso schnell wieder loswerden?
    Er fuhr sich mit der Hand durch das strähnige, schüttere Haar - schütter mit sechsundzwanzig! - und rieb sich dann mit den Handballen die Schläfen. Er hasste es, wie ihm die Gedanken hektisch durch den Kopf huschten, wie eine Idee verzweifelt der nächsten hinterherjagte. Seine Fingerspitzen streiften die Hörner, und er stieß einen ängstlichen Schrei aus. Gott im Himmel, hätte er fast gesagt, mach, dass sie verschwinden, aber dann fing

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