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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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vergangen, an dem er nicht daran gedacht hätte. Wenn das Baumhaus allerdings eine Halluzination gewesen war - und das war die einzige schlüssige Erklärung -, dann hatte er sie nicht allein gesehen. Er und Merrin waren gemeinsam darauf gestoßen, und was dort geschehen war, band sie aneinander wie ein unsichtbarer Seidenknoten. Sie hatten oft darüber gesprochen, wenn sie sich während einer Autofahrt langweilten oder wenn sie mitten in der Nacht von einem Gewitter aufgeweckt wurden und nicht mehr einschlafen konnten. »Ich weiß, dass es
möglich ist, dass zwei Menschen dieselbe Halluzination haben«, hatte Merrin einmal gesagt. »Aber ich dachte immer, mir könnte so etwas nicht passieren.«
    Das Problem mit der Vorstellung, dass seine Hörner nichts weiter als eine besonders hartnäckige und furchterregende Illusion waren, bestand darin, dass er weiterhin nur von dem ausgehen konnte, was sich vor seinen Augen abspielte. Es half nichts, sich einzureden, dass alles lediglich in seiner Einbildung stattfand, wenn es trotzdem passierte. Ob er daran glaubte oder nicht, spielte keine Rolle. Die Hörner waren einfach da, wenn er die Hand nach ihnen ausstreckte. Selbst wenn er sie nicht anfasste, fühlte er, wie die kühle Brise über die wunden, empfindlichen Spitzen hinwegstrich. Die Hörner waren so unbestreitbar real wie jeder andere Knochen seines Körpers.
    Ig war so sehr in Gedanken versunken, dass er nicht hörte, wie der Wagen den Hügel heruntergerollt kam, bis er mit einem Knirschen hinter dem Gremlin anhielt und der Bulle hinter dem Steuer kurz die Sirene aufheulen ließ. Igs Herz tat einen schmerzhaften Satz. Einer der Polizisten beugte sich auf der Beifahrerseite zum Fenster des Streifenwagens hinaus.
    »Was ist los, Ig?«, fragte der Bulle, der nicht irgendein Bulle war, sondern ein Kerl namens Sturtz.
    Sturtz trug ein kurzärmeliges Hemd, das seine durchtrainierten, von der Sonne goldbraun gerösteten Unterarme zur Geltung brachte. Es war ein enges Hemd, und er war ein gut aussehender Mann. Mit seinen vom Wind zerzausten Haaren und der Spiegelbrille hätte er auf eine Reklametafel für Zigaretten gepasst.
    Sein Partner Posada, der hinter dem Steuer saß, versuchte seinen Look zu imitieren, schaffte es allerdings nicht
ganz. Er war zu schmächtig, und sein Adamsapfel hüpfte beim Sprechen. Beide trugen sie Schnurrbärte, aber bei Posada wirkte dieser irgendwie geziert, wie bei einem französischen Oberkellner in einer Komödie mit Cary Grant.
    Sturtz grinste. Sturtz grinste immer, wenn er ihn sah. Ig ging allen Bullen möglichst aus dem Weg, aber bei Sturtz und Posada gab er sich besonders große Mühe, weil die beiden sich seit Merrins Tod einen Spaß daraus machten, ihn anzuhalten, wenn er auch nur fünf Kilometer zu schnell fuhr, seinen Wagen zu durchsuchen und ihm wegen der dämlichsten Kleinigkeit einen Strafzettel zu verpassen.
    »Nichts ist los. Ich steh nur rum«, sagte Ig.
    »Du stehst da schon seit einer halben Stunde«, rief Posada ihm zu, während sein Partner aus dem Streifenwagen stieg. »Und führst Selbstgespräche. Die Frau, die da drüben wohnt, hat ihre Kinder reingeholt, weil du ihr Angst machst.«
    »Was meinst du, was die für Schiss hätte, wenn sie wüsste, wer hier rumsitzt«, sagte Sturtz. »Ein netter kleiner Perveser und Mordverdächtiger dazu.«
    »Immerhin hat er keine Kinder umgebracht.«
    »Noch nicht«, sagte Sturtz.
    »Ich geh ja schon«, sagte Ig.
    »Du bleibst schön hier.«
    »Was hast du vor?«, fragte Posada seinen Partner.
    »Ich möchte ihn einlochen.«
    »Wegen was?«
    »Keine Ahnung. Irgendwas. Vielleicht kann ich ihm ja was unterjubeln. Ein Tütchen Koks. Eine nicht registrierte Knarre. Ganz egal. Zu schade, dass wir nichts dabeihaben. Weißt du, diesem Arschloch will ich es wirklich besorgen.«

    »Wenn du so fiese Sachen sagst, würde ich dich am liebsten auf den Mund küssen«, sagte Posada.
    Sturtz nickte, vom Geständnis seines Partners offenbar nicht weiter irritiert. Das sind die Hörner, dachte Ig. Es fing wieder an, wie bei dem Arzt und der Sprechstundenhilfe, wie bei Glenna und Allie Letterworth.
    »Am liebsten wäre mir«, sagte Sturtz, »wenn ich ihn verhaften könnte und er sich wehrt. Dann hätte ich einen Grund, ihm die verdammten Zähne einzuschlagen.«
    »Das würde ich zu gern sehen«, sagte Posada.
    »Wissen Sie überhaupt, was Sie da reden?«, fragte Ig.
    »Nein«, sagte Posada.
    »Ansatzweise«, sagte Sturtz. Er kniff die Augen zusammen, als

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