Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
Vom Netzwerk:
nicht die Gelegenheit, diese Worte laut auszusprechen. Bevor er einen Schritt tun konnte, hörte er das leise Klirren von Eisen auf Eisen und wandte den Kopf.
    Er stand noch immer in der Vorhalle, und zu seiner Linken befand sich eine Tür, die einen Spaltbreit offen stand und hinter der sich eine Treppe verbarg. Dort unten war der kleine Turnsaal, den die Gemeindemitglieder für verschiedene Zwecke nutzen konnten. Ig berührte die Tür, und als sie aufglitt, hörte er leise Countrymusik.
    »Hallo?«, rief er und blieb in der Tür stehen.
    Wieder klirrte Eisen, und jemand keuchte atemlos.
    »Ja?«, rief Father Mould. »Wer ist da?«
    »Ig Perrish, Sir.«
    Ein Augenblick des Schweigens folgte. Ein verräterisch langer Augenblick.
    »Komm bitte zu mir herunter«, sagte Father Mould.
    Ig stieg die Treppe hinab.
    Am hinteren Ende des Kellergeschosses beleuchteten Neonröhren eine dicke Bodenmatte, ein paar riesige aufblasbare Bälle und einen Schwebebalken - Geräte für die Kindergymnastik. Direkt neben der Treppe waren jedoch ein paar der Lampen ausgeschaltet, und es war dunkler. An der Wand entlang erstreckte sich ein Parcours von Fitnessgeräten. Am unteren Ende der Treppe befand sich eine Hantelbank, auf der sich Father Mould ausgestreckt hatte.

    Vor vierzig Jahren war Mould Flügelstürmer für Syracuse gewesen und danach mit den Marines nach Vietnam gegangen. Er hatte noch immer die Masse und überwältigende körperliche Präsenz eines Eishockeyspielers und strahlte die selbstsichere Autorität eines Soldaten aus. Er bewegte sich eher behäbig, umarmte Menschen, wenn sie ihn erheiterten, und war so liebenswert wie ein sanfter alter Bernhardiner, der auf dem Sofa schlief, obwohl er wusste, dass er das nicht durfte. Mould trug einen grünen Trainingsanzug und uralte, ausgelatschte Adidas-Turnschuhe. Sein Kreuz hing an einem Ende der Gewichtsstange und baumelte dort hin und her, während er die Stange hochwuchtete.
    Hinter der Bank stand Schwester Bennett. Auch sie war ein wenig wie eine Eishockeyspielerin gebaut, mit breiten Schultern und einem maskulinen Gesicht. Die kurzen gelockten Haare wurden von einem violetten Schweißband zurückgehalten, das zu ihrem lila Trainingsanzug passte. Schwester Bennett hatte an der St. Jude’s Ethik unterrichtet, und sie gefiel sich darin, Flussdiagramme an die Tafel zu malen, die zeigten, wie bestimmte Entscheidungen mit unerbittlicher Folgerichtigkeit zur Erlösung führten (ein mit fetten, bauschigen Wolken angefülltes Rechteck) oder in die Hölle (ein Kasten voller Flammen).
    Igs Bruder Terry hatte sich oft erbarmungslos über sie lustig gemacht und zur Erheiterung seiner Klassenkameraden selbst Flussdiagramme gezeichnet, wie Schwester Bennett, nach einer bizarren Abfolge lesbischer Liebschaften, in der Hölle landen und sich voller Begeisterung verstörenden sexuellen Praktiken mit dem Teufel hingeben würde. Mit solchen Späßen hatte Terry in der Mensa der St. Jude’s große Erfolge gefeiert - ein Vorgeschmack des späteren Ruhms. Dass er verpetzt wurde (wobei bis heute nicht herauskam,
von wem), steigerte sein Ansehen nur noch. Terry wurde ins Büro von Father Mould zitiert. Ihr Treffen fand hinter geschlossenen Türen statt, aber diese genügten nicht, um die Geräusche zu dämpfen, als Father Mould ihm mit einem Holzlineal den Hintern versohlte - sowohl das Klatschen als auch, nach dem zwanzigsten Schlag, seine Schreie waren in der ganzen Schule zu hören gewesen. Die veraltete Heizungsanlage trug das Spektakel in jedes einzelne Klassenzimmer. Ig hatte sich auf seinem Stuhl gewunden - aus Mitgefühl mit Terry. Schließlich hatte er sich die Finger in die Ohren gesteckt. Terry durfte nicht an dem Konzert am Schuljahresende teilnehmen, für das er seit Monaten geübt hatte, und bekam eine Fünf in Ethik.
    Father Mould setzte sich auf und wischte sich mit dem Handtuch über das Gesicht. Am unteren Ende der Treppe war es am dunkelsten, und Ig überlegte, dass Father Mould die Hörner wohl wirklich nicht sehen konnte.
    »Hallo, Father«, sagte Ig.
    »Ignatius. Kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?«
    »Ich wohne jetzt in der Stadt«, sagte Ig, seine Stimme heiser vor Rührung. Auf Father Moulds besorgten Tonfall, auf seine ungezwungene, onkelhafte Zuneigung war er nicht vorbereitet gewesen. »Ist eigentlich nicht weit. Ich wollte immer mal vorbeischauen, aber …«
    »Ig? Geht es dir gut?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was mit

Weitere Kostenlose Bücher