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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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aus. In der Zeit, in der Ig mit ihr zusammen gewesen war, hatte sie zweimal aufgehört - einmal immerhin für eine ganze Woche.
    Ig beobachtete durch die Fenster, wie sie auf die Ruine zusteuerte. Sie hatte zu viel Make-up aufgelegt. Sie hatte immer zu viel Make-up aufgelegt. Schwarzroten Lippenstift, eine übertriebene Dauerwelle und rosafarbene falsche Wimpern. Ihrem Gesichtsausdruck war anzusehen, dass sie das Gebäude nicht betreten wollte. Unter ihrer aufgemalten Maske wirkte sie furchtsam und unglücklich und irgendwie auch auf eine schlichte Art und Weise hübsch. Sie trug tief sitzende schwarze Jeans mit einem Nietengürtel, und er konnte ihre Arschspalte sehen. Ein weißes Top enthüllte ihren weichen Bauch und die Tätowierung auf ihrer Hüfte, den Kopf des Playboy-Häschens. Es tat Ig weh, sie so zu
sehen - ihr ganzes Äußeres schien ein einziger Hilfeschrei zu sein: Bitte, bitte, hab mich lieb!
    »Ig?«, rief sie. »Iggy! Bist du da drin? Bist du hier irgendwo?« Sie legte die Hände an den Mund, um ihre Stimme zu verstärken.
    Er antwortete nicht, und sie ließ die Hände sinken.
    Ig ging von Fensteröffnung zu Fensteröffnung und beobachtete, wie sie durch das Unkraut zur Rückseite der Gießerei stolperte. Die Sonne befand sich auf der anderen Seite des Gebäudes - eine rote Zigarettenspitze, die ein Loch in das farblose Himmelszelt brannte. Als sie den Evel-Knievel-Hang überquerte, schlüpfte Ig durch eine offene Tür hinaus ins Freie und schlug einen Bogen. Er schlich durch das Gras und das ersterbende Tageslicht: ein blutroter Schatten unter vielen. Weil sie ihm den Rücken zugewandt hatte, sah sie ihn nicht kommen.
    Als Glenna die Brandspuren am oberen Ende des Hangs bemerkte und die Stellen, wo die Erde von der Hitze ganz weiß geworden war, blieb sie stehen. Der rote Blechkanister lag noch immer im Unterholz. Ig schlich über die Wiese hinter ihr weiter unter die Bäume zur Rechten des Hangs. Auf dem freien Feld um die Gießerei herum war es noch immer Spätnachmittag, im Wald jedoch dämmerte bereits der Abend. Ig spielte rastlos mit dem Kreuz und überlegte, was er zu Glenna sagen sollte. Auf was sie Anspruch hatte.
    Sie betrachtete die verbrannte Erde und den roten Blechkanister und blickte schließlich den Hang hinunter zum Fluss. Ig konnte sehen, wie sie zwei und zwei zusammenzählte. Ihr Atem ging schneller. Mit der rechten Hand kramte sie in ihrer Tasche.
    »Ach, Ig«, sagte sie. »Gottverdammte Scheiße, Ig.«
    Die Hand kam mit ihrem Handy zum Vorschein.

    »Bitte nicht«, sagte Ig.
    Sie fuhr auf ihren Stöckelschuhen herum, und das Handy, glatt und rosafarben, rutschte ihr wie ein Stück Seife aus der Hand und fiel ins Gras.
    »Was zum Teufel soll das, Ig?«, fauchte sie - noch während sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, war ihre Trauer in Zorn umgeschlagen. Sie spähte an dem Brombeergestrüpp vorbei in die Schatten unter den Bäumen. »Du hast mir einen Scheißschreck eingejagt!« Sie machte einen Schritt auf ihn zu.
    »Bleib, wo du bist«, sagte er.
    »Warum willst du nicht, dass ich …?«, sagte sie, verstummte dann aber. »Hast du etwa einen Rock an?«
    Schwaches rosafarbenes Licht schimmerte durch die Äste und fiel auf seinen Rock und den nackten Bauch. Von der Brust aufwärts blieb er jedoch im Dunkeln.
    Ihr wütender Gesichtsausdruck wich einem ungläubigen Lächeln, das nicht so sehr Belustigung als Angst zum Ausdruck brachte. »Ach, Ig«, hauchte sie. »Ach, Liebling.« Sie trat einen weiteren Schritt vor, aber er hob die Hand.
    »Ich möchte nicht, dass du mir zu nahe kommst.«
    Sie blieb stehen.
    »Was führt dich hierher?«
    »Du hast unsere Bude demoliert«, sagte sie. »Warum hast du das gemacht?«
    Er wusste nicht, was er sagen sollte, und schwieg.
    Sie senkte den Blick und biss sich auf die Lippen. »Wahrscheinlich hat dir jemand erzählt, was zwischen mir und Lee an dem Abend vorgefallen ist.« Sie zwang sich, ihn wieder anzuschauen. »Ig, es tut mir leid. Wenn du möchtest, kannst du mich hassen. Das hab ich wohl verdient. Ich will nur wissen, ob mit dir alles in Ordnung ist.« Sie atmete
kaum hörbar ein und sagte dann ganz leise: »Bitte, ich möchte dir helfen.«
    Ig lief ein Schauder über den Rücken. Das war fast mehr, als er ertragen konnte - die Stimme eines anderen Menschen, der ihm seine Hilfe anbot, der voller Zuneigung und Sorge mit ihm sprach. Er war erst seit zwei Tagen ein Dämon, aber die Zeit, als er noch wusste, wie es war, geliebt zu

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