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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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sie dich dann bald in die Wüste und du suchst dir jemand anderen. Jemand Besseren. Jemand Ernsthaften und Liebevollen, ohne Krebs in der Familie, ohne Herzversagen oder Alzheimer oder all die anderen schrecklichen Dinge. Ich hoffe außerdem, dass ich dann längst tot bin, damit ich nie etwas von ihr erfahre.
    Weißt du, wie ich sterben möchte? Auf dem Evel-Knievel-Hang, in meinem eigenen Einkaufswagen. Ich würde die Augen schließen und mir vorstellen, dass du mich in den Armen hältst. Und dann volle Kanne gegen einen Baum rasen. Ohne was mitzukriegen. So und nicht anders. Ich würde so gern an das Evangelium nach Mick und Keith glauben,
in dem steht, dass ich nicht kriegen kann, was ich will - und damit meine ich dich, Ig, und unsere Kinder und unsere albernen Tagträume -, in dem aber auch steht, dass ich bekomme, was ich brauche. Einen schnellen, plötzlichen Tod und die Gewissheit, dass du irgendwo ein neues Leben angefangen hast.
    Du wirst eine gütige Frau heiraten, die mit beiden Beinen auf der Erde steht und dir Kinder schenkt, und du wirst ein wundervoller, glücklicher, tatkräftiger Vater sein. Du wirst die Welt sehen, jeden Winkel davon, und dir wird viel Leid begegnen, und manchmal wirst du es lindern. Du wirst Enkel haben und Urenkel. Du wirst unterrichten. Du wirst lange Spaziergänge im Wald machen. Wenn du sehr alt bist, wirst du dich auf einem dieser Spaziergänge unter einem Baum wiederfinden, in dessen Krone jemand ein Baumhaus errichtet hat. Dort werde ich auf dich warten. Ich werde in unserem magischen Baumhaus bei Kerzenschein auf dich warten.
    Das sind eine Menge Punkte und Striche. Zwei Monate Arbeit, von Anfang bis Ende. Als ich angefangen habe zu schreiben, war der Krebs eine Erbse in einer Brust und weniger als eine Erbse unter meiner linken Achselhöhle. Jetzt, gegen Ende … nun gut. From small things, Mama, big things one day come.
    Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich so viel hätte schreiben müssen. Wahrscheinlich hätte ich mir die ganze Mühe sparen können. Ein Wort hätte genügt. Die erste Botschaft, die du jemals von mir erhalten hast - mit einem Kreuz zugeblinkt. WIR. Das sagt schon fast alles. Und hier ist der Rest: Ich liebe dich, Iggy Perrish.
    Dein Mädchen, Merrin Williams

KAPITEL 44
    Nachdem er Merrins Abschiedsbrief gelesen, beiseitegelegt und ihn noch einmal gelesen und wieder beiseitegelegt hatte, kletterte Ig aus seinem Kamin, weil er für eine Weile dem Geruch von Schlacke und Asche entfliehen wollte. Er blieb in dem Raum davor stehen und atmete langsam die spätnachmittägliche Luft ein, als ihm bewusst wurde, dass die Schlangen sich nicht versammelt hatten. Er war allein in der Gießerei, jedenfalls fast. Nur eine Grubenotter lag zusammengerollt in der Schubkarre und schlief. Er war versucht, zu ihr hinüberzugehen und ihr über den Kopf zu streichen, machte sogar einen Schritt auf sie zu, hielt dann aber inne. Lieber nicht, dachte er, senkte den Blick und betrachtete das Kreuz, das ihm um den Hals hing. Dann wandte er sich seinem Schatten zu, der im roten Licht des schwindenden Tages die Mauer hinaufkletterte. Er sah den langen, dürren Schatten eines Mannes. Ohne die Hörner, die er an seinen Schläfen spürte und deren Spitzen durch die kühler werdende Luft schnitten. Wenn er jetzt, mit Merrins Kreuz um den Hals, zu der Schlange hinüberginge, würde sie mit großer Wahrscheinlichkeit nach ihm schnappen.
    Als er den schwarzen Schatten an der Wand musterte, wurde ihm klar, dass er nach Hause gehen konnte, wenn er
das wollte. Er konnte die letzten beiden Tage hinter sich lassen, diesen ganzen Albtraum aus Krankheit und Angst, und wieder derjenige sein, der er immer gewesen war. Der Gedanke war von einem fast schmerzhaften Gefühl der Erleichterung begleitet: wieder Ig Perrish sein und nicht der Teufel, ein Mensch und kein wandelnder Hochofen!
    Er grübelte noch immer darüber nach, als die Schlange in der Schubkarre, plötzlich in weißes Licht getaucht, den Kopf hob. Jemand kam die Straße heraufgefahren. Igs erster Gedanke war, dass es Lee sein musste, der nach dem Kreuz suchte und nach anderen Spuren, die ihn später belasten könnten.
    Als der Wagen jedoch vor der Gießerei ausrollte, erkannte er Glennas verbeulten smaragdgrünen Saturn. Er konnte ihn durch eine Türöffnung sehen, hinter der der Boden zwei Meter abfiel. Glenna schloss, von Rauchschwaden umwabert, den Wagenschlag, schnippte ihre Zigarette ins Gras und trat sie mit der Fußspitze

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