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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Wenn es um Antworten aus der Bibel ging, hatte Ig immer die richtigen Fragen.
    Ig zog seinen Reisepass zwischen den Seiten hervor und hielt dann inne, um die Spalten aus Strichen und Punkten zu betrachten, die mit Bleistift auf die Vorsatzblätter gekritzelt waren - das Morse-Alphabet. Ig hatte es selbst hinten in die Neil-Diamond-Bibel hineingeschrieben, und zwar vor über zehn Jahren. Einmal hatte er geglaubt, Merrin Williams hätte ihm eine Botschaft in Morsecode geschickt, und er hatte zwei Wochen an einer Antwort gearbeitet, die er ihr auf dieselbe Weise schicken wollte. Was ihm damals eingefallen war, stand als lange Abfolge von Kreisen und Strichen darunter: sein Lieblingsgebet aus dem Buch.
    Er warf die Bibel zu den anderen Sachen in den Trompetenkoffer. Darin musste einfach irgendetwas Nützliches
stehen, irgendein Tipp, wie er mit seiner Situation umgehen sollte, ein homöopathisches Heilmittel gegen schlimme Teufelitis oder so etwas.
    Es war Zeit zu gehen, möglichst bevor er noch jemand anderem begegnete, aber am Fuß der Treppe wurde ihm bewusst, wie trocken sich sein Mund anfühlte; er hatte richtiggehend Schmerzen beim Schlucken. Ig machte einen Umweg in die Küche, um am Spülbecken einen Schluck zu trinken. Er ließ Wasser in die hohle Hand laufen, spritzte es sich ins Gesicht, stützte sich dann auf dem Rand des Beckens ab und schüttelte sich wie ein Hund. Das Gesicht trocknete er sich mit dem Geschirrtuch ab, und es tat gut, den rauen Stoff auf der wunden, vom kalten Wasser empfindlichen Haut zu spüren. Schließlich warf er das Handtuch auf die Theke, drehte sich um - und sah sich seinem Bruder gegenüber.

KAPITEL 10
    Terry lehnte direkt neben der Schwingtür an der Wand. Er sah nicht sonderlich gut aus, was aber am Jetlag liegen mochte. Er musste sich mal wieder rasieren, und die Augen waren aufgequollen, als litte er unter einer Allergie. Terry war gegen alles Mögliche allergisch - Blütenstaub, Erdnussbutter; einmal wäre er fast an einem Bienenstich gestorben. Sein schwarzes Seidenhemd und seine Tweedhose hingen an ihm herab, als hätte er ein paar Kilo abgenommen.
    Sie sahen einander an. Ig und Terry waren seit dem Wochenende, an dem Merrin ermordet wurde, nicht mehr im selben Zimmer gewesen, und damals hatte Terry viel besser ausgesehen. Er war sprachlos gewesen, vor Trauer und Mitleid. Kurz darauf war er an die Westküste geflogen - vorgeblich zum Proben, aber Ig vermutete, dass die Führungsetage von Fox Schadensbegrenzung hatte betreiben wollen. Seither hatte Terry sich nicht mehr blicken lassen, was wenig verwunderlich war. Er hatte auch schon vor dem Mord nicht viel für Gideon übrig gehabt.
    »Ich wusste nicht, dass du hier bist«, sagte er jetzt. »Ich habe dich nicht hereinkommen hören. Hast du dir Hörner wachsen lassen, während ich weg war?«
    »Ich dachte, es wäre Zeit für einen neuen Look. Gefallen sie dir?«

    Sein Bruder schüttelte den Kopf. »Ich möchte dir etwas erzählen«, sagte Terry, und sein Adamsapfel hüpfte auf und ab.
    »Willkommen im Club.«
    »Ich möchte dir etwas erzählen, aber eigentlich möchte ich es dir nicht erzählen. Ich habe Angst.«
    »Schieß los. So schlimm wird’s schon nicht sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du irgendwas sagen könntest, was mich besonders erschüttert. Mama hat mir gerade erklärt, dass sie mich nie wieder sehen will. Dad hat mir erzählt, ihm wäre es am liebsten, ich würde für den Rest meines Lebens im Gefängnis sitzen.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Oh, Ig«, sagte Terry, und Tränen traten ihm in die Augen. »Ich komm mir so mies vor. Wegen alldem. Was du durchgemacht hast. Ich weiß, wie sehr du sie geliebt hast. Ich habe sie nämlich auch geliebt. Merrin. Sie war wirklich toll.«
    Ig nickte.
    »Ich möchte, dass du etwas weißt …«, sagte Terry mit erstickter Stimme.
    »Was denn?«, sagte Ig leise.
    »Ich habe sie nicht umgebracht.«
    Ig starrte seinen Bruder an und spürte, wie sich bei ihm ein Taubheitsgefühl in der Brust ausbreitete. Er wäre nie auf den Gedanken gekommen, Terry könnte Merrin vergewaltigt und ermordet haben.
    »Natürlich nicht«, sagte er.
    »Ich hab euch beide geliebt und wollte, dass ihr glücklich seid. Ich hätte ihr niemals wehgetan.«
    »Das weiß ich doch«, sagte Ig.

    »Und wenn ich geahnt hätte, dass Lee Tourneau sie umbringen würde, hätte ich versucht, ihn aufzuhalten«, sagte Terry. »Ich dachte, Lee wäre ihr Freund. Ich wollte dir das unbedingt erzählen, aber Lee

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