Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
Vom Netzwerk:
Lichts verstohlen um. Aber er konnte nichts entdecken.
    Das Mädchen saß nur eine Reihe vor ihm auf der anderen Seite des Mittelgangs. Sie trug ein weißes Sommerkleid, und er sah sie heute zum ersten Mal. Er schaute immer wieder zu ihr hinüber, nicht weil er glaubte, dass sie irgendetwas mit dem Licht zu tun hatte, sondern weil sie das Beste war, was es auf der anderen Seite des Mittelgangs zu sehen gab. Er war auch nicht der Einzige, der dieser Meinung war. Ein schlaksiger Junge mit seidigem blondem Haar saß direkt hinter ihr, und manchmal beugte er sich ein Stück vor, um ihr über die Schulter in den Ausschnitt zu schauen. Das Mädchen hatte Ig noch nie gesehen, aber der Junge kam ihm aus der Schule irgendwie
bekannt vor, obwohl er wahrscheinlich ein Jahr älter war.
    Ignatius Martin Perrish suchte verstohlen nach einer Armbanduhr oder einer Kette, in der sich das Licht spiegeln mochte. Er musterte Männer mit Edelstahlbrillen und Frauen mit großen Ohrreifen, konnte aber nicht feststellen, woher das lästige Blitzen kam. Meistens starrte er jedoch das Mädchen mit den roten Haaren und den weißen Armen an. Etwas an den Armen ließen sie weit nackter erscheinen als die der anderen Frauen in der Kirche. Rothaarige hatten oft Sommersprossen, aber sie sah aus, als wäre sie aus einem großen Stück Seife gemeißelt.
    Jedes Mal, wenn er aufhörte, nach dem Ursprung des Lichts zu suchen und sich wieder nach vorn wandte, war der goldene Blitz wieder da und blendete ihn. Es trieb ihn in den Wahnsinn, dieses Aufblitzen in seinem linken Auge, wie eine Motte aus Licht, die ihn umkreiste und immer wieder gegen sein Gesicht flatterte! Einmal schlug er sogar danach, wie um es beiseitezuwischen.
    In dem Moment verriet sie sich. Fast hätte sie losgeprustet. Sie bebte am ganzen Körper, so sehr bemühte sie sich, nicht laut zu lachen. Dann warf sie ihm einen Blick zu - bedächtig und von der Seite her, selbstzufrieden und belustigt. Sie wusste, dass sie ertappt worden war und dass es keinen Grund mehr gab, so zu tun, als wäre sie die Unschuld in Person. Da wurde Ig klar, dass sie hatte ertappt werden wollen, dass sie es darauf angelegt hatte, und bei dem Gedanken schlug sein Herz etwas schneller. Sie war äußerst hübsch, etwa in seinem Alter, und ihr Haar war zu einem seidenen kirschroten Zopf geflochten. Sie spielte mit einem zierlichen goldenen Kreuz, das sie um den Hals trug, und drehte es immer so, dass es das Sonnenlicht reflektierte.
Wenn es aufleuchtete, wurde es zu einer kreuzförmigen Flamme. Sie führte es ihm mehrfach vor und drehte das Kreuz dann weg.
    Danach war Ig nicht mehr in der Lage, sich auch nur ansatzweise auf das zu konzentrieren, was Father Mould vorn am Altar sagte. Er wünschte sich von ganzem Herzen, dass sie noch einmal in seine Richtung blickte, aber sie ließ sich Zeit damit, so als würde sie sich zieren. Aber dann sah sie wieder verschmitzt zu ihm herüber, schaute ihn direkt an und ließ das Kreuz aufblitzen, einmal kurz und zweimal lang. Und dann wieder, aber nun zweimal kurz. Und schließlich einmal kurz, einmal lang und einmal kurz Sie blickte ihm in die Augen, während sie ihm mit dem Kreuz zublinzelte, und lächelte irgendwie verträumt, als hätte sie vergessen, weshalb sie eigentlich lächelte. Ihr Blick wirkte so konzentriert, als wollte sie unbedingt, dass er etwas verstand, als wäre das, was sie mit dem Kreuz tat, äußerst wichtig.
    »Ich glaube, das ist Morsecode«, flüsterte Igs Vater, ohne den Mund zu verziehen - wie ein Sträfling, der im Gefängnishof einem anderen etwas zuraunte.
    Ig zuckte in einem nervösen Reflex zusammen. Während der letzten paar Minuten war die Kirche zu einer Fernsehshow geworden, die stumm im Hintergrund lief. Die Worte seines Vaters rissen Ig aus seiner Traumwelt und erinnerten ihn daran, wo er sich befand. Zu seiner Bestürzung wurde ihm auch bewusst, dass er einen steifen Penis bekommen hatte, der sich unter seiner Hose heiß an sein Bein schmiegte. Und dabei würden sie jeden Moment aufstehen, um das abschließende Lied zu singen, und dann wäre die Hose verräterisch ausgebeult.
    »Was?«, sagte er.

    »Sie morst: ›Hör auf, meine Beine anzustarren‹«, flüsterte Derrick Perrish wie ein Leinwandmafioso. »›Sonst verpasse ich dir ein Veilchen.‹«
    Ig räusperte sich - er hatte das Gefühl zu ersticken.
    Inzwischen war auch Terry neugierig geworden. Ig saß direkt am Mittelgang, rechts neben ihm sein Vater, dann seine Mutter, dann

Weitere Kostenlose Bücher