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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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nahm ihre Aktentasche und machte sich daran, die Papiere hineinzustopfen.
    »War das schon immer so, wenn du mich gesehen hast?«
    Sie nickte wie wild und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Pass auf, dass du nicht erstickst, Mama.«
    Seine Mutter starrte ihn noch etwas länger an, öffnete dann den Mund und holte tief und pfeifend Luft. Sie schaute zu, wie er die Papiere in die Tasche steckte.
    Als sie schließlich etwas sagte, war ihre Stimme dünn
und schrill, und sie sprach so schnell, dass ihre Worte nahtlos ineinander übergingen. »Ich würde dir gern einen Brief schreiben einen wirklich netten Brief mit netter Handschrift auf meinem besonderen Briefpapier um dir zu sagen wie sehr dein Vater und ich dich lieben und wie sehr es uns leidtut dass du nicht glücklich bist und wie viel besser es für uns alle wäre wenn du einfach fortgehen würdest.«
    Er schob das letzte Blatt in die Aktentasche, hielt sie auf dem Schoß und blieb in der Hocke. »Wohin denn?«
    »Wolltest du nicht in Alaska wandern gehen?«
    »Mit Merrin.«
    »Oder Wien besichtigen?«
    »Mit Merrin.«
    »Oder Chinesisch lernen? In Peking?«
    »Merrin und ich haben darüber geredet, nach Vietnam zu gehen und dort Englisch zu unterrichten. Aber ich glaube nicht, dass wir es wirklich ernst gemeint haben.«
    »Es ist mir ganz egal, wohin du gehst. Solange ich nicht hören muss, wie du über dich selbst sprichst, als wäre alles in Ordnung, es ist nämlich nichts in Ordnung, und es wird auch nie wieder in Ordnung sein. Wenn ich dich sehe, bin ich so unglücklich, dass ich es kaum ertragen kann. Ich möchte einfach wieder glücklich sein, Ig.«
    Er reichte ihr die Aktentasche.
    »Ich möchte nicht mehr, dass du mein Kind bist«, sagte sie. »Es ist zu schwer. Ich wünschte, ich hätte nur Terry bekommen.«
    Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. Als er das tat, da sah er, dass sie schon seit Jahren einen leisen Groll gegen ihn hegte, weil er ihre Traummaße ruiniert hatte. Terry war ein kleines Kind gewesen und rücksichtsvoll, er hatte ihrer Figur und ihrer Haut nicht geschadet, aber Ig
hatte alles verhunzt. In Vegas hatte ihr ein Ölscheich einmal fünftausend Dollar für eine Nacht geboten, damals, als sie noch keine Kinder gehabt hatte. Was war das doch für eine tolle Zeit gewesen! So leicht hatte sie später nie wieder Geld verdient.
    »Ich weiß nicht, warum ich dir das alles verraten habe«, sagte sie. »Mir ekelt vor mir selbst. Ich war nie eine gute Mutter.« Dann schien ihr bewusst zu werden, dass sie geküsst worden war; sie fasste sich an die Wange und fuhr mit der Hand darüber. Sie blinzelte und musste offenbar Tränen zurückhalten, aber als sie den Kuss auf ihrer Haut erfühlte, lächelte sie. »Du hast mich geküsst. Heißt das … heißt das, dass du fortgehst?« Ihre Stimme zitterte voller Hoffnung.
    »Ich war nie da«, sagt er.

KAPITEL 8
    Als er wieder in der Diele stand, schaute er durch die Fliegengittertür auf die sonnendurchflutete Welt jenseits der Veranda hinaus und dachte, dass er jetzt lieber verschwinden sollte, bevor er noch seinem Vater oder seinem Bruder begegnete. Er hatte es sich anders überlegt - er wollte Terry nicht mehr treffen, sondern ihm aus dem Weg gehen. Angesichts dessen, was seine Mutter zu ihm gesagt hatte, wollte Ig nicht auch noch seine Liebe zu jemand anderem auf die Probe stellen.
    Trotzdem ging er nicht durch die Vordertür hinaus, sondern drehte sich stattdessen um und stieg die Treppe hinauf. Wenn er schon hier war, dann sollte er sich auch in seinem Zimmer umschauen, ob es nicht vielleicht etwas gab, was er mitnehmen wollte, wenn er wegging. Weit weg … aber wohin? Er wusste es noch nicht. Allerdings war er sich nicht sicher, ob er jemals zurückkehren würde.
    Die Treppe war hundert Jahre alt und knarrte und brummelte, während Ig hinaufstieg. Kaum hatte er das obere Stockwerk erreicht, als auf der anderen Seite des Flurs, zu seiner Rechten, eine Tür aufging und sein Vater den Kopf herausstreckte. Ig hatte das schon hundert Mal erlebt. Sein Vater ließ sich von Natur aus gern ablenken, und immer wenn jemand die Treppe hochkam, musste er zwanghaft nachschauen, wer es war.

    »Ach«, sagte er. »Ig. Ich dachte, es wäre vielleicht …« Doch dann verstummte er. Sein Blick wanderte von Igs Augen zu seinen Hörnern. Da stand er nun, barfuß, in einem weißen Feinrippunterhemd und seinen gestreiften Hosenträgern.
    »Na, raus damit«, sagte Ig. »Jetzt bist du an der Reihe -

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