Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
Vom Netzwerk:
hat mich gezwungen, den Mund zu halten. Er hat mich gezwungen!«
    »IIIIIIIIIIII«, schrie Ig.
    »Er ist wirklich furchtbar, Ig«, sagte Terry. »Du kennst ihn nicht. Du glaubst es vielleicht, aber du hast keine Ahnung.«
    »IIIIIIIIIIIIIIII«, schrie Ig, ohne Luft zu holen.
    »Lee hat uns alle nach Strich und Faden verarscht, und seitdem leide ich Höllenqualen«, sagte Terry.
    Ig floh. Er rannte durch die unbeleuchtete Diele, krachte durch die Fliegengittertür und stolperte in das grelle Tageslicht hinaus. Er hatte Tränen in den Augen, sah die Stufen nicht und stürzte. Keuchend rappelte er sich wieder auf. Er hatte den Trompetenkoffer fallen lassen - er war sich kaum bewusst gewesen, dass er ihn noch umklammert hielt - und hob ihn vom Rasen auf.
    Ohne darauf zu achten, wohin er ging, taumelte er durch den Vorgarten. Seine Augenwinkel waren feucht, bestimmt weinte er, doch als er sich mit den Fingern über das Gesicht fuhr, blieb Blut daran kleben. Er berührte die Hörner. Die Haut an den Spitzen war aufgeplatzt, und Blut rann ihm über das Gesicht. Er spürte ein stetes Pochen in den Hörnern, und obwohl sie wund zu sein schienen, empfand er auch eine gewisse Erregung, die seine Schläfen durchzuckte, ein Gefühl der Erlösung, das einem Orgasmus nicht unähnlich war. Er stolperte weiter und stieß dabei eine Folge von Flüchen aus, herausgewürgte Obszönitäten. Es kotzte ihn an, dass er um jeden Atemzug kämpfen musste; das klebrige Blut auf den Wangen und an den Händen bereitete
ihm Übelkeit. Der blaue Himmel war viel zu hell, und er konnte den eigenen Geruch nicht ertragen. Er hasste ihn. Er hasste. Hass.
    Er war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er den Rollstuhl seiner Großmutter erst bemerkte, als er fast hineingerannt wäre. Unvermittelt blieb er stehen und starrte sie an. Sie war wieder eingenickt und schnarchte leise. Auf ihren Lippen lag die Andeutung eines Lächelns. Wahrscheinlich träumte sie gerade etwas Schönes, und ihr friedlicher, glücklicher Gesichtsausdruck versetzte Ig so sehr in Rage, dass ihm ganz elend wurde. Er löste die Bremse auf der Rückseite des Rollstuhls und versetzte ihm einen Stoß.
    »Verfickte alte Hexe«, sagte er, als der Rollstuhl langsam den Hügel hinunter losrollte.
    Vera hob den Kopf, ließ ihn wieder sinken, hob ihn erneut und schien ganz allmählich wach zu werden. Der Rollstuhl holperte über das gepflegte grüne Gras. Eines der Räder stieß gegen einen Stein und ruckelte darüber hinweg, und Ig musste daran zurückdenken, wie er mit fünfzehn in einem Einkaufswagen den Evel-Knievel-Hang hinuntergerast war. Das war der entscheidende Wendepunkt in seinem Leben gewesen. Hatte er damals auch so ein Tempo draufgehabt? Wirklich erstaunlich, wie der Rollstuhl immer mehr an Fahrt gewann, wie das Leben eines Menschen immer mehr an Fahrt gewann, bis es einer Kugel glich, die auf ein letztes Ziel zuschoss, eine Kugel, die nicht mehr aufzuhalten oder abzulenken war, und wie bei einer Kugel wusste man nicht, was man schließlich treffen würde, man bekam rein gar nichts mit außer dem Rausch der Geschwindigkeit und dem Einschlag. Vera hatte bestimmt vierzig Sachen drauf, als sie schließlich gegen den Zaun am unteren Ende des Hangs prallte.

    Ig ging weiter zu seinem Wagen. Er konnte wieder frei atmen - die Beklemmung, die ihm die Brust zusammengedrückt hatte, war so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen war. Hier roch es nach grünen Blättern und frisch gemähtem, von der Augustsonne getrocknetem Gras. Ig wusste nicht, wohin er als Nächstes gehen würde, er wollte nur weg. Hinter ihm glitt eine Strumpfbandnatter über den Rasen, schwarz und grün und feucht glänzend. Eine zweite und dritte schlossen sich ihr an, was Ig aber nicht bemerkte.
    Nachdem er sich in den Wagen hinters Steuer gesetzt hatte, fing er an zu pfeifen. Es war wirklich ein wunderschöner Tag. Er wendete in der Einfahrt und fuhr den Hügel hinunter. Der Highway erwartete ihn.

KIRSCHEN

KAPITEL 11
    Sie schickte ihm eine Botschaft.
    Erst wusste er nicht, von wem sie kam. Er wusste nicht einmal, dass es eine Botschaft war. Es begann etwa zehn Minuten, nachdem die Messe angefangen hatte: Am Rande seines Gesichtsfeldes blitzte ein goldenes Licht auf, so hell, dass er zusammenzuckte. Er rieb sich die Augen und versuchte, den leuchtenden Fleck wegzumassieren, der jetzt vor ihm schwebte. Als er wieder einigermaßen klar sehen konnte, schaute er sich auf der Suche nach dem Ursprung des

Weitere Kostenlose Bücher