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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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klang so betont ausdruckslos, dass Ig sofort bereute, gefragt zu haben.
    »Hast du denn meine Botschaft entschlüsselt?«, platzte es schließlich aus ihm heraus - er musste unbedingt das Thema wechseln.
    »Was für eine Botschaft?«
    »Na, die Botschaft halt, die ich dir zugeblinkt habe. Du kennst doch das Morse-Alphabet, oder?«
    Sie lachte - ein unerwartet lautes Geräusch, bei dem Ig fast das Kettchen hätte fallen lassen. Im nächsten Augenblick fanden seine Finger heraus, was sie tun mussten, und er schloss die Kette um ihren Hals. Sie drehte sich um. Und stand so dicht vor ihm, dass ihm der Atem stockte.
    »Nein. Ich bin ein paarmal zu den Pfadfinderinnen gegangen, aber ich hab aufgehört, bevor es wirklich interessant wurde. Außerdem habe ich oft genug im Wald gezeltet. Mein Vater war bei der Forstbehörde. Was hast du mir denn signalisiert?«
    Sie brachte ihn völlig aus dem Konzept. Er hatte diese ganze Unterhaltung im Voraus geplant, und zwar mit großer Sorgfalt, hatte sich überlegt, was sie fragen und was er antworten würde, aber das war jetzt alles weg.
    »Du hast mir nichts zugeblinkt?«, fragte er. »Vor zwei Wochen?«
    Sie lachte wieder. »Ich hab nur ausprobiert, wie lange ich dich blenden kann, bis du bemerkst, woher das kommt. Was glaubst du denn, was für eine Botschaft ich dir geschickt habe?«
    Aber Ig konnte ihr nicht antworten. Seine Bronchien zogen sich zusammen, und er spürte, wie ihm furchtbar heiß wurde. Zum ersten Mal begriff er, wie lächerlich es war zu glauben, sie könnte ihm irgendetwas signalisiert haben, und
schon gar nicht das, was er sich einbildete - dass sie ihm das Wort »wir« zugeblinkt hätte. Kein Mädchen auf der ganzen Welt würde so etwas einem Jungen signalisieren, mit dem sie noch nicht einmal ein Wort geredet hatte. Es war so offensichtlich - wenn man erst einmal darüber nachdachte.
    »Ich habe ›das gehört dir‹ gemorst«, erwiderte er schließlich, fest entschlossen, die eigentliche Frage, die sie ihm gestellt hatte, zu ignorieren. Aber es war eine Lüge, so wahr es auch klang. Er hatte ihr ebenfalls nur ein einziges Wort signalisiert. Das Wort hatte »ja« gelautet.
    »Vielen Dank, Iggy«, sagte sie.
    »Woher weißt du, wie ich heiße?«, sagte er, und zu seiner Überraschung wurde jetzt sie rot.
    »Ich hab jemanden gefragt. Hab vergessen, warum, ich …«
    »Und du bist Merrin.«
    Sie starrte ihn mit einem fragenden Blick sichtlich überrascht an.
    »Ich hab jemanden gefragt«, sagte er.
    Sie blickte zum Ausgang hinüber. »Meine Eltern warten bestimmt schon.«
    »Okay«, sagte er.
    Bis sie die Vorhalle erreicht hatten, wusste er bereits, dass sie in denselben Englischkurs wie er ging, dass sie in der Clapham Street wohnte und dass ihre Mutter sie als freiwillige Helferin bei einer Blutspendeaktion der Kirche angemeldet hatte, die Ende des Monats durchgeführt wurde. Ig sagte, er würde auch dort sein, ganz bestimmt.
    »Ich hab deinen Namen gar nicht auf der Liste gesehen«, erwiderte sie. Erst drei Schritte später wurde Ig bewusst, dass sie nach seinem Namen gesucht haben musste. Er schaute kurz zu ihr hinüber und sah, dass sie versonnen vor sich hin lächelte.

    Als sie ins Freie hinaustraten, war das Sonnenlicht so hell, dass Ig einen Moment lang rein gar nichts erkennen konnte. Er sah einen dunklen Fleck auf sich zufliegen, hob die Hände und fing ein Football-Ei. Er schüttelte sich und sah, wie sein Bruder, Lee Tourneau und ein paar andere Jungs - sogar Eric Hannity - zusammen mit Father Mould auf der Wiese ausschwärmten, und Father Mould rief: »Na los, Ig, komm schon!« Seine Eltern standen bei Merrins Eltern, und Derrick Perrish unterhielt sich gut gelaunt mit Merrins Vater, als wären sie schon seit Jahren befreundet. Merrins Mutter, eine dünne Frau mit einem verkniffenen, farblosen Mund, beschirmte die Augen mit einer Hand und schenkte ihrer Tochter ein gequältes Lächeln. Der Duft von heißem Asphalt und frisch gemähtem Gras lag in der Luft. Ig, der nie besonders sportlich gewesen war, holte aus und warf den Ball in hohem Bogen mit einem perfekten Spin durch die Luft; er landete genau in Father Moulds schwieligen Händen. Der hob ihn über den Kopf und rannte in seinem schwarzen kurzärmeligen Hemd und dem weißen Kragen über den grünen Rasen.
    Sie spielten ungefähr eine halbe Stunde Football. Väter und Söhne jagten einander über das Gras. Lee wurde kurzerhand zum Quarterback erklärt; auch er war kein großer Sportler, aber

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