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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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immerhin sah er so aus, wenn er sich mit vollkommen gelassener, eiskalter Miene erst zurückfallen ließ und dann mit über die Schulter geworfener Krawatte losrannte. Merrin streifte ihre Schuhe ab und spielte als einziges Mädchen mit. »Merrin Williams, die Grasflecken auf deiner Hose bekommen wir nie wieder raus«, rief ihre Mutter, aber ihr Vater winkte ab und sagte: »Soll sie doch ihren Spaß haben.« Eigentlich spielten sie Touch-Football, aber Merrin brachte Ig immer wieder zu Fall, bis es zu
einem Running Gag wurde - eine Sechzehnjährige, dünn wie ein Grashalm, wischte mit Ig den Boden auf. Niemand fand das komischer oder hatte mehr Spaß daran als Ig selbst, der sich alle Mühe gab, ihr die Gelegenheit dazu zu geben, ihn umzureißen.
    »Du solltest dich gleich auf den Boden setzen, wenn es losgeht«, meinte sie, nachdem sie ihn das fünfte oder sechste Mal zu Fall gebracht hatte. »Von mir aus können wir den ganzen Tag so weitermachen …« Als sie sah, dass Ig lachte, sagte sie: »Was ist daran so komisch?«
    Sie kniete über ihm, und ihre roten Haare kitzelten ihn an der Nase. Sie roch nach Zitrone und Minze. Das Kreuz baumelte ihr im Ausschnitt und blitzte ihm das Versprechen auf ein fast unerträgliches Glück zu.
    »Nichts«, sagte er. »Ich weiß genau, was du meinst.«

KAPITEL 20
    Den ganzen restlichen Sommer hindurch liefen sie einander andauernd über den Weg. Wenn Ig seine Mutter zum Supermarkt begleitete, war Merrin mit ihrer Mutter ebenfalls dort, und so schlenderten sie gemeinsam zwischen den Regalen entlang, immer ein paar Schritte hinter ihren Eltern. Merrin schnappte sich eine Tüte Kirschen, die sie aßen, während sie weitergingen.
    »Ist das nicht Ladendiebstahl?«, fragte Ig.
    »Wir kriegen keinen Ärger, wenn wir die Beweise beseitigen«, sagte sie, spuckte einen Stein in ihre Hand und reichte ihn Ig. Sie gab ihm alle ihre Steine und ging seelenruhig davon aus, dass er sie schon irgendwie entsorgen würde, was er auch tat, indem er sie nämlich in die Hosentasche steckte. Als er nach Hause kam, hatte er eine süß duftende Beule von der Größe einer Kinderfaust in den Jeans.
    Als der Jaguar zur Inspektion musste, begleitete Ig seinen Vater, weil er wusste, dass Merrins Vater in dem Autohaus arbeitete. Ig hatte keinen Grund zu der Annahme, er könnte Merrin dort antreffen, schon gar nicht an einem sonnigen Mittwochnachmittag, aber sie war da, saß auf dem Schreibtisch ihres Vaters und ließ die Beine baumeln, als würde sie bereits ungeduldig auf ihn warten. Sie tranken Orangenlimonade aus dem Münzautomaten und hingen in einem
verlassenen Gang herum und quatschten, während über ihnen die Neonröhren summten. Sie erzählte ihm, dass sie am nächsten Tag zusammen mit ihrem Vater zum Queen’s Face rauswandern wolle. Ig sagte, der Weg führe direkt hinter ihrem Haus vorbei, und sie fragte ihn, ob er nicht mitkommen wolle. Ihre Lippen waren von der Limonade ganz orange. Es war völlig unanstrengend, mit ihr zusammen zu sein - die natürlichste Sache der Welt.
    Ebenso natürlich war es, Lee mit einzubeziehen. Er sorgte dafür, dass alles nicht zu ernst wurde. Als er hörte, dass sie zum Queen’s Face hinaufmarschieren wollten, schloss er sich ihnen unaufgefordert an. Er sagte, er wolle nach einer Abfahrt für sein Mountainboard suchen, vergaß das Board aber dann.
    Während des Aufstiegs packte Merrin den Kragen ihres T-Shirts, zog ihn von ihrer Brust weg, tat so, als fächelte sie sich damit Luft zu, und stieß übertrieben laut die Luft aus. »Springt ihr denn ab und zu in den Fluss?«, fragte sie und deutete auf den Knowles River, der durch die Bäume schimmerte. Er wand sich durch den dichten Wald des Tals, das unter ihnen lag - eine schwarze Schlange mit glitzernden Schuppen.
    »Ig andauernd«, sagte Lee, worauf Ig lachte. Merrin sah beide mit zusammengekniffenen Augen fragend an, aber Ig schüttelte nur den Kopf. »Aber was anderes«, fuhr Lee fort. »In Igs Pool ist es viel toller.« Und dann an Ig gerichtet: »Warum lädst du sie nicht mal zum Schwimmen ein?«
    Ig schoss das Blut ins Gesicht. Von Merrin im Bikini hatte er zwar schon oft geträumt, aber immer dann, wenn er sie fragen wollte, war ihm die Luft weggeblieben.
    In jenen ersten Wochen redeten sie nur einmal über ihre Schwester Regan. Ig fragte, warum sie von Rhode Island
hier raufgezogen seien, und Merrin erwiderte mit einem Schulterzucken: »Nach Regans Tod waren meine Eltern völlig fertig, und meine Mutter ist

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