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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Lippen. Ig spürte, wie er knallrot wurde, und in gewisser Hinsicht war er froh darüber, dass er sich um ihretwillen schämte. »Ich weiß, das kommt jetzt etwas plötzlich«, sagte er, »aber ich glaub, ich bin in sie verknallt. Ich hätte schon früher was gesagt, aber ich wollte dir nicht in die Quere kommen.«

    Lee griff sich, ohne zu zögern, in den Nacken und öffnete die Schließe. »Du hättest doch nur fragen müssen. Es gehört dir. Es hat schon immer dir gehört. Du hast es gefunden, nicht ich. Ich hab das Teil doch bloß repariert. Und wenn du damit an sie rankommst, umso besser.«
    »Aber ich dachte, du stehst auf sie. Willst du nicht …«
    Lee winkte ab. »Soll ich mich mit einem Freund wegen einem Mädchen anlegen, von dem ich nicht mal den Namen kenne? All die Sachen, die du mir geschenkt hast, die ganzen CDs? Selbst wenn der größte Teil davon echt ätzend war, weiß ich das zu schätzen. Ich bin kein undankbarer Mensch, Ig. Wenn du sie jemals wiedersiehst, dann auf sie mit Gebrüll. Auf meine Unterstützung kannst du zählen. Aber ich glaube, die kommt nicht mehr wieder.«
    »Doch«, sagte Ig leise.
    Lee sah ihn fragend an.
    Ig war die Wahrheit rausgerutscht, bevor er es verhindern konnte. Er musste sichergehen, dass er Lee nicht hinterging, schließlich waren sie jetzt Freunde. Und würden es vielleicht bis an das Ende ihres Lebens bleiben.
    Als Lee nichts sagte, sondern sich nur mit einem angedeuteten Lächeln im langen, schmalen Gesicht auf seiner Matratze treiben ließ, fuhr Ig fort: »Ich hab jemand getroffen, der sie kennt. Letzten Sonntag war sie nicht da, weil ihre Familie von Rhode Island hier raufzieht. Sie sind bloß zurückgefahren, um ihre restlichen Sachen zu holen.«
    Lee zog sich das Kettchen über den Kopf und warf es mit einer fließenden Handbewegung zu Ig hinüber, der es erhaschte, als es auf das Wasser aufschlug.
    »Das ist deine Chance, Tiger«, sagte Lee. »Du hast das Teil gefunden, und auch wenn ich das nicht begreifen kann, scheint sie nicht auf mich zu stehen. Ich bin im Moment
eh ausgebucht. Glenna hat mich gestern besucht, um mir von dem Wagen bei Gary zu erzählen, und da hat sie ihn ganz in den Mund genommen. Nur für eine Minute. Aber immerhin.« Lee strahlte - das Lächeln eines Kindes mit einem neuen Luftballon. »Was für eine verdammte Schlampe, was?«
    »Ist ja geil«, sagte Ig und lächelte schwach.

KAPITEL 19
    Ig entdeckte Merrin Williams sofort, tat dann jedoch so, als hätte er sie nicht gesehen. Was ihm nicht leichtfiel, weil sein Herz wie wild hüpfte und sich wie ein Betrunkener, der in seiner Zelle wutentbrannt gegen die Gitterstäbe anrannte, gegen seinen Brustkorb warf. An diesen Augenblick hatte er nicht nur jeden Tag, sondern jede Stunde jedes Tages gedacht, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, und fast war es zu viel für sein Nervenkostüm, gleich würde ihm eine Sicherung durchbrennen. Sie hatte beige Leinenhosen an und eine weiße Bluse mit zurückgeschlagenen Ärmeln, und heute trug sie das Haar offen. Als er mit seiner Familie den Mittelgang hinunterkam, schaute sie in seine Richtung, aber er tat so, als hätte er sie nicht bemerkt.
    Merrin starrte Ig während der ersten fünf Minuten der Messe unentwegt an, und die ganze Zeit über versuchte er, ihren Blick nicht zu erwidern. Er ballte die schweißfeuchten Hände und fixierte Father Mould.
    Sie gab es nicht auf, ihn anzustarren, bis Father Mould »Lasset uns beten« sagte. Da ließ sie sich auf die Knie sinken und faltete die Hände. Genau in dem Moment holte Ig das Kreuz hervor. Er hielt es in der hohlen Hand, suchte einen Sonnenstrahl und richtete ihn auf sie. Ein gespenstisches Goldkreuz glitt über ihre Wange und streifte ihr Auge.
Das erste Mal blinzelte sie nur, beim zweiten Mal zuckte sie zusammen, und beim dritten Mal schaute sie zu ihm herüber. Er hielt das Goldkettchen möglichst ruhig, so dass in der Mitte seiner Hand ein Kreuz aus reinem Licht gleißte, während auf ihrer Wange ein Abbild davon schimmerte. Sie musterte ihn mit überraschender Ernsthaftigkeit wie ein Funker in einem Kriegsfilm, der von einem Kameraden eine überlebenswichtige Nachricht erhielt.
    Langsam und mit Bedacht neigte er das Kreuz in die eine und in die andere Richtung und schickte ihr die Morsebotschaft, die er im Lauf der letzten Woche auswendig gelernt hatte. Es war ihm wichtig, keine Fehler zu machen, deshalb hielt er das Kreuz wie einen Fingerhut voll Nitroglyzerin. Als er damit fertig war,

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