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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug
Autoren: Joe Hill
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- zwei Stunden zu spät - dort eintraf, hatte ihre Tochter bereits einen hysterischen Anfall. Aus ihrer Nase spritzte Rotz, und ihre blutunterlaufenen Augen funkelten wild. Um sie zu beruhigen, musste Allie sie mit einem Webkinz -Plüschtier für sechzig Dollar und einem Bananensplit bestechen, sonst wäre ihr Mann ihr auf die Schliche gekommen. Wenn
sie gewusst hätte, wie lästig es sein würde, ein Kind zu haben, hätte sie dankend darauf verzichtet.
    Ig zog seine Hand weg.
    Das Mädchen fing an zu ächzen und stampfte mit den Füßen auf den Boden. Allie Letterworth seufzte, lehnte sich zu Ig hinüber und sagte: »Am liebsten würde ich ihr in den verwöhnten Arsch treten. Aber ich mache mir Sorgen, was die Leute sagen würden, wenn ich sie schlage. Sollte ich sie vielleicht trotzdem …?«
    »Nein«, sagte Ig.
    Es war unmöglich, und trotzdem wusste er Dinge über Allie Letterworth, die er gar nicht wissen konnte - sogar ihre Handynummer und Adresse. Außerdem wusste er mit völliger Gewissheit, dass Allie Letterworth niemals einem Fremden anvertrauen würde, dass sie ihrer Tochter am liebsten in den verwöhnten Arsch treten wolle. Ihre Stimme hatte geklungen, als würde sie mit sich selbst sprechen.
    »Nein«, wiederholte Allie Letterworth, schlug ihre Illustrierte auf und ließ sie gleich wieder sinken. »Wahrscheinlich geht das nicht. Aber vielleicht sollte ich aufstehen und gehen. Sie einfach hierlassen und wegfahren. Ich könnte bei Michael wohnen, mich vor Gott und der Welt verstecken, Gin trinken und die ganze Zeit vögeln. Mein Mann würde auf Überlassung des Sorgerechts klagen, aber das wäre mir egal. Wer würde sich schon um das da kümmern wollen?«
    »Ist Michael Ihr Golflehrer?«, fragte Ig.
    Sie nickte verträumt, lächelte ihn an und sagte: »Das Komische ist, dass ich niemals bei ihm Unterricht genommen hätte, wenn ich gewusst hätte, dass er ein Nigger ist. Vor Tiger Woods gab es im Golfclub keine Nigger, außer vielleicht als Caddies - es war der einzige Ort, wo man vor denen sicher war. Sie wissen ja, wie die Schwarzen sind,
dauernd telefonieren sie mit ihren Handys und fluchen, und dann glotzen sie alle weißen Frauen an. Aber Michael ist ein gebildeter Mensch. Er spricht wie wir. Und was man sich über schwarze Schwänze erzählt, das stimmt. Ich habe schon jede Menge Weiße gevögelt, aber keiner hatte so ein Gemächt wie Michael.« Sie runzelte die Nase. »Wir nennen es ›Fünfereisen‹.«
    Ig sprang auf und ging rasch zum Fenster der Sprechstundenhilfe hinüber. Hastig kritzelte er ein paar Antworten auf den Fragebogen und hielt ihr das Klemmbrett hin.
    Hinter ihm schrie das kleine Mädchen: »Nein! Ich will mich nicht hinsetzen!«
    »Wenn ich nicht gleich etwas zu der Mutter des Mädchens sage, raste ich aus«, murmelte die Sprechstundenhilfe. Ihr Blick war an Ig vorbei auf die Frau und ihre Tochter gerichtet, und sie schenkte dem Klemmbrett keine Beachtung. »Ich weiß, es ist nicht ihre Schuld, dass dieses Blag ein kreischender Kotzbrocken ist, aber ich muss es ihr einfach sagen.«
    Ig sah zu dem kleinen Mädchen und zu Allie Letterworth hinüber. Allie hatte sich über ihre Tochter gebeugt, knuffte sie mit der zusammengerollten Illustrierten und fauchte sie an. Ig wandte sich wieder der Sprechstundenhilfe zu.
    »Von mir aus«, sagte er versuchsweise.
    Sie sperrte den Mund auf, zögerte und sah Ig dann ängstlich an. »Na ja, es wird halt nur zu einer hässlichen Szene kommen.«
    Die Spitzen seiner Hörner wurden plötzlich von einer unangenehmen Wärme durchströmt. In gewisser Hinsicht war er überrascht - und das, obwohl er die Hörner gerade einmal seit einer Stunde trug! -, dass sie nicht sofort nachgegeben hatte, als er ihr seine Erlaubnis erteilt hatte.

    »Wie meinen Sie das - es wird zu einer Szene kommen?«, fragte er und zupfte erregt an dem kleinen Spitzbart, den er sich hatte wachsen lassen. Jetzt wollte er es doch wissen. »Es ist schon erstaunlich, was die Leute ihren Kindern heutzutage alles durchgehen lassen, finden Sie nicht auch? Man kann den Kleinen noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Wenn die Eltern ihnen nicht beibringen, wie man sich zu benehmen hat …«
    Die Sprechstundenhilfe lächelte dankbar und wirkte nun entschlossen. Als er das sah, spürte er, wie sich in den Hörnern ein weiteres Gefühl regte - ein eisiger Schauer.
    Die Sprechstundenhilfe stand auf und richtete ihren Blick auf die Frau und das kleine Mädchen. »Ma’am?«, rief sie.
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