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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug
Autoren: Joe Hill
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mir allen möglichen Kram«, sagte Ig. »Ganz schreckliche Sachen. Was sie gern tun würden - lauter Dinge, die normalerweise nie jemand zugeben würde! Ein kleines Mädchen hat mir gerade gesagt, dass sie ihre Mutter im Bett anzünden möchte. Und Ihre Assistentin will irgendeiner armen Frau den Wagen zerkratzen. Ich habe Angst. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.«
    Der Arzt untersuchte die Hörner. Auf seiner Stirn zeichneten sich Sorgenfalten ab. »Das sind Hörner«, sagte er.
    »Ich weiß, dass das Hörner sind.«
    Dr. Renald schüttelte den Kopf. »An den Spitzen sehen sie entzündet aus. Tun sie weh?«
    »Höllisch.«
    »Ha«, sagte der Arzt und fuhr sich mit der Hand über die Lippen. »Dann wollen wir sie mal messen.« Er legte das Maßband erst direkt am Ansatz um die Hörner und dann von der Schläfe zur Spitze und von Spitze zu Spitze. Er kritzelte ein paar Zahlen auf seinen Rezeptblock. Mit seinen schwieligen Händen strich er über die Hörner, tastete sie mit aufmerksamer Miene ab, dachte nach, und da wusste Ig etwas, was er gar nicht wissen wollte. Er wusste, dass Dr. Renald vor ein paar Tagen in seinem Schlafzimmer hinter dem Vorhang gestanden und onaniert hatte, während er zuschaute, wie die Freundinnen seiner siebzehnjährigen Tochter im Swimmingpool herumplanschten.
    Der Arzt trat wieder einen Schritt zurück, und seine alten grauen Augen wirkten besorgt. Er schien einen Entschluss gefasst zu haben. »Wissen Sie, was ich gern tun würde?«

    »Was denn?«, fragte Ig.
    »Am liebsten würde ich etwas Oxycodon zermahlen und mir eine Ladung gönnen. Ich habe mir zwar geschworen, nie während der Arbeit zu schnupfen, weil ich davon ein bisschen blöde werde, aber ich weiß nicht, ob ich es noch sechs Stunden aushalte.«
    Ig brauchte einen Moment, bis er begriff, dass der Arzt von ihm erwartete, dass er seine Meinung dazu äußerte.
    »Können wir bitte einfach über diese Dinger auf meinem Kopf reden?«, bat er.
    Der Arzt ließ die Schultern sinken. Er wandte das Gesicht ab und stieß einen langen Seufzer aus.
    »Hören Sie«, sagte Ig. »Bitte. Ich brauche Hilfe. Irgendjemand muss mir helfen.«
    Dr. Renald musterte ihn widerwillig.
    »Ich weiß nicht mal, ob das alles wirklich passiert«, sagte Ig. »Ich glaube, ich werde verrückt. Wie kommt es, dass die Leute meine Hörner einfach ignorieren? Wenn ich jemanden mit Hörnern sehen würde, würde ich mich bepissen.« Und genau das hatte er auch getan, als er sich das erste Mal im Spiegel gesehen hatte.
    »Man erinnert sich nur schwer an sie«, sagte der Arzt. »Sobald ich wegschaue, vergesse ich, dass Sie welche haben. Warum, weiß ich nicht.«
    »Aber Sie sehen sie jetzt.«
    Renald nickte.
    »Sind Sie sich sicher, dass Sie so etwas noch nie gesehen haben?«
    »Sind Sie sich sicher, dass ich mir nicht eine kleine Ladung gönnen darf?«, fragte der Arzt zurück. Seine Miene hellte sich auf. »Sie können was abhaben. Kommen Sie, wir knallen uns gemeinsam die Birne zu!«

    Ig schüttelte den Kopf. »Bitte hören Sie mir doch zu.«
    Der Arzt verzog das Gesicht, nickte aber.
    »Wie kommt es, dass Sie nicht Ihre Kollegen zusammenrufen? Warum nehmen Sie die Sache nicht ernst?«
    »Um ehrlich zu sein«, sagte Renald, »fällt es mir schwer, mich auf Ihr Problem zu konzentrieren. Ich muss die ganze Zeit an die Tabletten in meiner Aktentasche denken und an dieses Mädchen, mit dem meine Tochter herumhängt. Nancy Hughes. Himmel, was für ein Arsch! Aber wenn ich daran denke, wird mir auch ein wenig übel, schließlich trägt sie noch eine Zahnspange.«
    »Doktor Renald«, sagte Ig. »Ich bitte Sie um Ihren ärztlichen Rat - um Ihre Hilfe. Was soll ich tun?«
    »Scheißpatienten«, sagte der Arzt. »Immer geht es nur um eure Probleme.«

KAPITEL 5
    Er fuhr drauflos. Er wusste nicht, wohin, und für eine Weile spielte das auch keine Rolle. Es genügte, dass er in Bewegung blieb.
    Wenn es noch einen Ort gab, der ganz ihm gehörte, dann war es das Innere seines Wagens, ein 1972er AMC Gremlin. Das Apartment gehörte Glenna. Sie hatte dort gewohnt, bevor er eingezogen war, und würde auch noch dort wohnen, nachdem sie miteinander Schluss gemacht hatten, also gerade eben. Für eine Zeit lang war er wieder zu seinen Eltern gezogen, direkt nachdem Merrin ermordet worden war, aber er hatte sich dort nie zu Hause gefühlt und gehörte da einfach nicht mehr hin. Was Ig noch blieb, war das Auto, ein Fahrzeug, aber auch ein Unterschlupf, ein Ort, an dem er einen
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