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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug
Autoren: Joe Hill
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wahrscheinlich weg. Doch dann fiel sein Blick auf das Fenster, und die Hörner waren immer noch da. In der Scheibe sah er sich als gläsernen, durchsichtigen Umriss, ein dämonisches Gespenst.
    »Ich glaube, ich muss zum Arzt«, sagte er.
    »Weißt du, was ich muss?«, fragte sie.
    »Was denn?«
    »Einen Donut essen«, erwiderte sie und beugte sich über die Schachtel. »Meinst du, es ist okay, wenn ich mir noch einen nehme?«
    Er antwortete mit einer ausdruckslosen Stimme, die ihm selbst fremd vorkam: »Was hindert dich daran?«
    »Ich hab schon einen gegessen und bin gar nicht mehr hungrig. Ich möchte einfach nur weiteressen.« Sie drehte den Kopf und blickte ihn fast flehentlich und gleichzeitig ängstlich an. »Am liebsten würde ich die ganze Schachtel verschlingen.«
    »Die ganze Schachtel«, wiederholte er.
    »Ich möchte nicht einmal die Hände benutzen. Eigentlich
will ich einfach nur den Kopf reinstecken. Das ist ziemlich krass, oder?« Sie wanderte mit einem Fingern von Donut zu Donut und zählte. »Sechs Stück. Meinst du, es wäre okay, wenn ich noch sechs Donuts esse?«
    Ihm fiel es schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, so groß war seine Angst und so sehr lastete der Druck auf seinen Schläfen. Was sie gerade gesagt hatte, ergab keinen Sinn, passte jedoch nur zu gut zu dem bösen Traum, in den sich der heutige Morgen verwandelt hatte.
    »Hör bitte auf, mich zu verarschen. Ich hab doch gesagt, mir geht’s nicht gut.«
    »Ich will noch einen Donut«, sagte sie.
    »Dann mach halt. Mir doch egal.«
    »Na gut. Wenn du meinst«, sagte sie, nahm sich noch einen Donut und riss ihn in drei Teile. Ohne zu schlucken, stopfte sie sich ein Stück nach dem anderen in den Mund.
    Bald war der ganze Donut verschwunden, und sie hatte aufgeblähte Backen. Sie würgte leise, atmete tief durch die Nase ein und begann zu schlucken.
    Ig sah angewidert zu. Noch nie hatte sie auch nur etwas annähernd Ähnliches getan. Genaugenommen hatte er so was seit der Junior High, als die Schüler einander in der Kantine an Ekelhaftigkeit zu übertreffen suchten, nicht mehr gesehen. Als sie fertig war, schnappte sie ein paarmal nach Luft. Dann blickte sie über die Schulter und sah ihn wieder ängstlich an.
    »Das war scheußlich. Mir tut der Bauch weh«, sagte sie. »Meinst du, ich sollte noch einen essen?«
    »Warum willst du noch einen essen, wenn du Bauchweh hast?«
    »Damit ich richtig fett werde. Nicht so wie jetzt schon. So fett, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst.« Sie
presste die Spitze ihrer Zunge gegen die Oberlippe - eine nachdenkliche, bedächtige Geste. »Letzte Nacht hab ich was Ekelhaftes getan. Ich muss dir unbedingt davon erzählen.«
    Ihm ging erneut der Gedanke durch den Kopf, dass nichts von alldem wirklich passierte. Wenn er allerdings einen Fiebertraum hatte, dann war er ziemlich hartnäckig und überzeugend, vor allem in den Einzelheiten. Eine Fliege krabbelte über den Fernsehschirm. Draußen auf der Straße rauschte ein Wagen vorbei. Ein Augenblick folgte ganz natürlich auf den anderen, und alle zusammen schienen so etwas wie die Realität zu ergeben. Ig war gut darin, Dinge zusammenzuzählen. In der Schule war Mathe sein bestes Fach gewesen, nach Ethik, aber das zählte nicht.
    »Ich glaube nicht, dass ich wissen möchte, was du letzte Nacht getan hast«, sagte er.
    »Deshalb will ich es dir ja auch erzählen. Damit dir schlecht wird. Damit du einen Grund hast, abzuhauen. Es tut mir so leid, was du alles durchgemacht hast und was die Leute über dich erzählen, aber ich halt es nicht mehr aus, neben dir aufzuwachen. Ich möchte einfach, dass du verschwindest, und wenn ich dir erzähle, was ich gemacht hab, dann ekelt dich das bestimmt so sehr, dass du abhaust und ich endlich wieder frei bin.«
    »Was erzählen sich die Leute denn über mich?«, fragte er. Es war eine alberne Frage. Er wusste es bereits.
    Sie zuckte mit den Achseln. »Na ja, was du eben mit Merrin gemacht hast. Von wegen, dass du ein kranker Perverser bist und so.«
    Ig starrte sie wie gelähmt an. Es faszinierte ihn, dass alles, was sie sagte, immer noch schlimmer war als das, was sie zuvor gesagt hatte. Und wie leicht ihr das alles über die Lippen kam. Anscheinend empfand sie nicht die geringste Scham.

    »Also, was wolltest du mir erzählen?«
    »Gestern Abend, nachdem du mich hast sitzen lassen, bin ich Lee Tourneau begegnet. Du weißt doch, Lee und ich hatten mal was miteinander, damals auf der Highschool.«
    »Ich
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