Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
Nous mit Pranken, die so massig wie Berge waren, kniffliger sein, einen Menschen zu formen, als für ihn, Arno, aus Holz eine Ameise zu schnitzen.
Skeptisch betrachtete er denn von Zeit zu Zeit seine Hände und versuchte, sich diesen Schöpfungsakt vor Augen zu führen.
Ob sie es am Ende gar mit Zauberei vollbracht hatten?
Schnell verwarf er diese Erklärung. Keine Zauberei, keine Magie! Wer zaubern konnte, zauberte keinen Schwachkopf herbei. Denn der erste Mensch war ein Schwachkopf, dumm wie Stroh. Sonst hätte er nicht wegen des Wunsches nach schöpferischer Kraft das Paradies verlassen, um nachher betrogen auf der Erde festzusitzen und sich wie bekloppt für die Rückkehr in den Himmel abzurackern.
«Und wegen dieses Urmenschen müsst ihr euch jetzt so anstrengen?», brauste Arno auf, als der Prinz geendet hatte.
«Ja, du hast recht! Seither irren die Menschen auf der Erde umher, immer auf der Suche nach Gott und dem Licht. Nur wenige sind ausersehen, und nur wenigen gelingt es, das große Magisterium.»
«Sind Lena und du ausersehen?»
«Wenn ich das wüsste!?»
«Und ich? Ich will nicht allein hier bleiben!»
Arno rief es und umklammerte Ferdinands Hände.
«Keine Angst, dich nehmen wir mit!»
«Si-cher?», stammelte Arno.
«Aber ja, versprochen!»
Kapitel 7
Pater Clemens
Juno anno domini 1584
Fünfeinhalb Jahre später
Der Abt strich sich über die Stelle, wo einst sattes Haupthaar gesprossen war, überflog Prior Jergs krakelige Zahlen und kämpfte gegen den Drang, den schweren Folianten vom Schreibtisch zu schleudern und damit aus der Welt zu schaffen, was wie ein Felsbrocken auf dem Magen lag.
Was waren das für Einträge!
Sie boten keinen Anlass zur Freude, sie waren korrekt, unumstößlich und kündeten zu allem Übel ein Unheil an, das demnächst über einen Untertan des Klosters hereinbrechen könnte.
Ein Unheil, das Untergang und Verderben hieß.
Er biss leicht auf die Lippen und klopfte mit den Fingern auf das Kanzleibuch.
Er kannte ihn vom Hörensagen, er wurde Dettler genannt, war Bauer und schuldete dem Kloster ein Vermögen – nicht nur den diesjährigen und letztjährigen Zehnten, er schuldete ihm auch noch das Besthaupt vom letzten und vorletzten Jahr, ein Rückstand, der geradezu nach Hilfe schrie, erst recht, da es kein Geheimnis war, dass Dettlers Boden schwer und schattig war und stets Fäulnis über dem Korn schwebte. Gott hatte ihn vergessen, hatte sich schlicht taub gestellt und weder das Weinen des Säuglings noch die Stoßgebete des verzweifelten Bauern gehört.
Mit energischem Schwung blätterte der Abt weiter und beschloss, die Dramaturgie dieser Tragödie durcheinanderzubringen und nicht in der Rolle des Vollstreckers Dettler das Genick zu brechen. Er musste dem Ackermann helfen, sonst griff ihm niemand unter die Arme, weder die Nachbarn noch jemand aus der Familie, in der es nicht zum Besten stand. Die Bäuerin, das hatte ihm Bruder Max erst kürzlich berichtet, lag tagelang mit von Krämpfen verzerrtem Gesicht im Bett und von den Kindern waren ihm dieses Jahr zwei gestorben. Hilfe tat daher not, sehr sogar.
Aber wie?
Er lehnte zurück und fing an, mit dem Stück Schnur zu spielen, das in den Umschlag eingelassen war und als Buchzeichen diente.
Es wäre nicht leicht, Prior Jerg zurückzubinden.
Denn wer präzis und pingelig Buchstaben um Buchstaben, Zahl um Zahl aneinanderreihte, war im Recht und ließ sich nicht so leicht zurückpfeifen und überzeugen. Ihn kümmerte ein Menschenleben nicht, ihm war das Geschriebene wichtiger, er schwebte, war nicht von dieser Welt, und nicht einmal Engel konnten ihn von seinem Weg abbringen.
«Elender Buchstabenlecker!», knurrte der Abt und tippte sich auf die Nase. Er wurde dabei den Eindruck nicht los, dass der Widersacher jeden Augenblick anklopfen, hereinplatzen und das tun würde, worauf er sich bestens verstand: ihn besserwisserisch angucken und mit sanfter Stimme einen verdeckten Vorwurf nach dem anderen unter die Nase reiben. Ein Auftritt, der an guten Tagen schwer erträglich und an schlechten Tagen eine reine Zumutung war.
Entgegen seiner Befürchtung geschah nichts, auf der Treppe blieb es still, so auch im Flur.
Er schloss daraus, dass eine Belehrung heute nicht auf Prior Jergs Prioritätenliste stand und er noch etwas Galgenfrist hatte.
Die Lippen zusammengepresst, richtete er sein Augenmerk wieder auf die Einträge und versuchte sich zu konzentrieren.
Nach zehn Minuten gab er es auf.
Der
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