Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
wegen Lena und um für Gottes Recht zu kämpfen!
Möglichst gemächlich, wie er es für einen Mann von Rang und Würde als angemessen erachtete, reckte er das Kinn und fasste sein Publikum ins Auge.
«Ihr guten Bürger von Kummerlingen, hört, was ich Euch zu berichten habe! Ich bin kein Schauspieler! Ich bin ein Geistlicher, ich bin der Abt von Sponhausen!»
Still war es auf einmal, so still beinahe wie in einer Kirche, und das obschon seine leicht heisere Stimme nicht besonders kräftig klang und nicht in alle Ecken dieses Platzes zu dringen schien.
Er räusperte sich, beschloss, seinen rauen Hals nicht zu schonen, und sprach:
«Ich danke Euch für Euer Gehör, es ist nicht selbstverständlich, denn ich weiß, die Bühne ist kein Ort für einen Priester, schon gar nicht für einen Abt. Aber ich habe guten Grund, hier zu stehen. Ich habe Neuigkeiten, schreckliche, scheußliche Neuigkeiten, die ich aus der Dunkelheit des Verbrechens ans Licht der Gerechtigkeit und der Sühne zerren muss. Ihr alle kennt die Geschichte vom Brudermord, von Kain und Abel, wie sie im Alten Testament niedergelegt ist. Ein solcher Brudermord ist gestern geschehen, hier, ganz in der Nähe.»
Er sah kurz auf den Papierbogen, schnappte die wesentlichen Gedanken auf und entschied, von nun an nicht mehr auf den Text zu schauen und in freier Rede und mit dem Schwung der Überzeugung um die Herzen dieser Menschen zu kämpfen.
«Und der Brudermörder heißt Rudolf», rief er ihnen zu, «Rudolf von Haldenburg, derselbe, der sich dreist des Throns bemächtigt hat und Fürst von Gottes Gnaden sein will, hat seinen Bruder Ferdinand ermordet! Ermordet, feige ermordet!»
Kurze Zeit war es mäuschenstill, dann senkte sich das Ungeheuerliche in die Köpfe und versetzte den Platz in Gärung. Man runzelte die Stirn, ließ empörte Bemerkungen fallen oder sah murmelnd und flüsternd zur Bühne hoch – unbeteiligt war jetzt niemand mehr, der Funke war gesprungen und die Lunte brannte.
Der Abt rollte das Schriftstück auf und mahnte mit gehobener Hand zur Ruhe. Da stellte sich am linken Bühnenrand ein glatzköpfiger Mann auf die Zehen und rief: «Ihr berichtet uns schlimme Sachen! Was gibt Euch das Recht, den Namen eines Fürsten im selben Atemzug mit einer solch üblen Tat zu nennen?
«Ja, sagt, was gibt Euch das Recht?», unterstützte ihn eine mollige Frau, die gleich neben ihm stand.
Es wurde wieder ruhiger auf dem Platz, und man schaute erwartungsvoll zu ihm hoch.
«Ich war der Erzieher der Fürstensöhne», antwortete der Abt, «am Hof zu Haldenburg, und Eure Zweifel sind berechtigt, auch ich hatte bis gestern nicht für möglich gehalten, dass Rudolf zu einem Brudermord fähig wäre. Schon gar nicht zu einem solch feigen und solch hinterhältigen. Ich habe mich aber getäuscht, schwer getäuscht. Rudolf von Haldenburg ist sehr wohl fähig zu einem Brudermord. Vor wenigen Tagen schickte er seinen Handlanger, sein williges Werkzeug, Hexenkommissar Dr. Möeden, zusammen mit zwanzig Knechten in die Abtei zu Sponhausen, wo sie gestern ihr Blutwerk verrichteten. Wie Plünderer fielen sie in das Haus des Prinzen ein, wie Mörder erschossen sie ihn und wie Straßengesindel ließen sie ihn liegen!»
Er holte Atem und sah zu dem Glatzenträger und zur Frau, die gefragt hatten. Beiden von ihnen war offensichtlich die Lust zum Nachhaken vergangen; ihren tiefen Furchen auf der Stirn nach zu urteilen, waren sie sprachlos und rangen mit den Neuigkeiten, die ihr Weltbild zu zerrütten und ihre kleinstädtische Idylle auf den Kopf zu stellen schienen.
Würden sie ihm am Ende verzeihen?
Er ließ den Blick übers Publikum gleiten und fuhr leicht gehetzt weiter:
«Dieser Dr. Möeden, der Prinzenmörder weilt hier unter uns, hier, im friedliebenden Kummerlingen, unbeeindruckt von seinen Gesetzen, unbehelligt von rechtschaffenen Richtern, weil er zu verbergen versteht, was er verbrochen hat. Die einzigen Menschen, welche die Gräueltat mit eigenen Augen sahen, hat der Mörder in den Turm geworfen. Zwei Frauen sind es, zwei tüchtige, unbescholtene Frauen. Hexen seien sie, behauptet der Mörder, Hexen und Ketzerinnen. Und warum behauptet er das? Er behauptet es, weil sie ihm als Zeuginnen gefährlich würden und weil sie das Blut kennen, das seine Weste befleckt. Sie sind es, die ihn vor Gott und Gericht anklagen können, ihn, Dr. Möeden, der Prinz Ferdinand von Haldenburg gemeuchelt hat!»
Der Abt schnaufte schwer. Das Reden war anstrengender, als er es
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