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Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Bigler
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befürchtet hatte, und er war drauf und dran, in Atemnot zu geraten. Er beschloss, sich nicht zu verausgaben wie ein Marktschreier und sich zu schonen für das Finale. Denn das würde alles entscheiden und dafür brauchte er Durchhaltevermögen, gar herkulische Kräfte, um mit kühlem Kopf und flammendem Herzen Forderungen zu stellen und die Meute gegen Gefängnis und Obrigkeit zu hetzen!
    Als er fortfahren wollte, spürte er, dass unter den Zuschauern Unruhe um sich griff, für die es eine andere Ursache als seine Rede geben musste.
    Er erkannte, dass Menschen in der Nähe seiner Kutsche ihre Köpfe drehten und einige gar mit den Fingern zu einer Seitengasse zeigten.
    Nervös schaute er dorthin. Waren das etwa…?
    Er merkte, wie sich jähe Übelkeit meldete und seine Eingeweide schwer wurden wie ein Steinsack.
    Jetzt kamen sie, jetzt kamen sie ihn holen.
    Oder täuschte er sich?
    Da hörte er ihre Schritte, das Trommeln schwerer Soldatenstiefel.
    «Der Hexenkommissar! Der Hexenkommissar!», schien es nun allenthalben in der Menge zu murmeln.
    Im letzten Augenblick konnte der Abt verhindern, dass ihm die Papierrolle entglitt und zu Boden fiel.
    Er unterdrückte einen Fluch und bekreuzigte sich.
    War damit die Vorstellung schon vorbei?
    Er schaute zu den Menschen, forschte in ihren Gesichtern nach Zeichen der Verbundenheit, nach einem Nicken oder einem verschwörerischen Blick und beobachtete ihre Armbewegungen. Was er jetzt benötigte, war die Unterstützung kräftiger Männer, die an Gerechtigkeit glaubten, die bereit waren zu kämpfen, dreinschlagen konnten oder es gar verstanden, einen Schutzring um ihn herum zu bilden!
    Seine Hoffnungen zerfielen, als er sah, wie die Waffenknechte aus der Gasse stürmten und mühelos in die Menge eindrangen. Man räumte ihnen den Weg, und wo das nicht geschah, halfen sie mit den Kolben ihrer Musketen nach und hieben eine Gasse für einen Reiter in spanischer Hoftracht frei. Niemand riskierte jetzt noch eine große Lippe, und als hätte Meister Schnitter seinen Schatten geworfen, wurde es auf dem Platz gespenstisch ruhig.
    Gegen hartnäckiges Würgen kämpfend, blickte der Abt diesem Reiter entgegen und verfluchte im Stillen den kalten Schweiß, der ihm auf die Stirne trat. Dass dies der Hexenkommissar war, daran zweifelte er keine Sekunde. Es war eine eigenartige Erscheinung, ein Mann, der kein weiches, auch kein kantiges, sondern ein Niemandsgesicht hatte und eine spanische Hoftracht aus erlesenen Stoffen trug. Seine Bewegungen schienen lauernd und abwartend, außer den Handgriffen, mit denen er das Pferd lenkte. Sie waren so zackig, als hätte er gespannte Federn in seinen Gliedern.
    «Wer seid Ihr?»
    Der Abt starrte zu dem Mann vor ihm, der sein Pferd wenige Schritte vor der Bühne zum Stehen gebracht hatte, und wunderte sich über die Stimme, die eben gesprochen hatte. Sie klang weder scharf noch schneidig und war eine ruhige, näselnde, gar professorale Stimme, die Stimme eines Mannes, der wusste, dass er Macht besaß.
    «Warum lest Ihr nicht einfach das Wappen?»
    In harschem Ton rief ihm der Abt die Frage zu und deutete mit einer trotzigen Bewegung auf die Kutsche.
    «Nach Eurem Namen muss ich mich nicht erkundigen, Euch kenne ich, Ihr seid ein Mörder, Ihr seid Rudolf von Haldenburgs Mörderbube und habt Prinz Ferdinand, den Herrscher von Gottes Gnaden, kaltblütig gemeuchelt!»
    Fest sah er dem Gegner in die Augen und wartete darauf, dass dieses Niemandsgesicht aufbrach und eine menschliche Regung verriet. Doch nichts dergleichen geschah, es blieb undurchdringlich, als wäre es aus Stein gehauen.
    «Alter Mann, was hör’ ich für Sachen!»
    Er schüttelte den Kopf, als hätte er Mitleid mit einem Sturzbetrunkenen, hob die rechte Hand und wandte sich an die Menschen auf dem Platz.
    «Ihr guten Leut’, was für ein Tag!»
    Er gab sich keine Mühe, besonders laut zu reden, er schien zu wissen, dass sein Wort Gewicht hatte und man an seinen Lippen hing.
    «Ich komme von einer wichtigen Mission zurück in das friedliche und ehrwürdige Städtchen Kummerlingen. Und was spielt sich da ab, auf dem Marktplatz, zu einer Stunde, zu der rechtschaffene Bürger sonst bei Weib und Kind zu Hause sitzen? Hetzreden werden gehalten, Hetzreden werden gehört, Hetzreden, in denen man mir, dem Kämpfer des Herrn, dem unerbittlichen Verteidiger von Gottes Reich, in aller Öffentlichkeit schrecklichste Taten zur Last legt. Und was tut Ihr, Ihr lieben Leut’? Duldet Ihr das? Stellt ihr

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