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Teuflisch erwacht

Teuflisch erwacht

Titel: Teuflisch erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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ummantelte. Sorgsam schloss die Finsternis ihre sicheren Pranken um ihre flatternden Nerven. Sorgen bekamen Flügel, flogen aufgescheucht davon. Das Gefühl von Kraft war nicht ansatzweise so stark, wie sie es bei Salim verspürt hatte. Vielmehr schien es mit ihren Sinnen zu spielen. Es fuhr kitzelnd über ihre Synapsen und drang zögerlich in ihr limbisches System, dem Machtzentrum jeglicher Gefühle.
    Anna atmete tief durch und sah ihr Spiegelbild. Ihre versteinerte Miene versuchte, ihr eine Gänsehaut über den Körper zu jagen, aber sie schaffte es nicht, auch nur ein Haar aufzustellen. Ihre Augen waren so dunkelblau, dass sie es getrost als schwarz bezeichnen konnte. Sie musste beginnen. Salim hatte gesagt, sie sollte sich ihren kleinen Stern zur Hilfe ziehen. Doch die Magie tanzte und wirbelte durch ihren Kopf, sodass sie es kaum schaffte, ihn in Erinnerung zu rufen.
    Josh krallte sich in ihre Schulter. Er hatte noch immer seinen Arm um ihren Hals gelegt. Der Druck seines Griffes half.
    Sie lenkte ihr Empfinden auf die Stelle, auf der seine Hand auflag, und rief den kleinen Punkt zu sich. Nein, sie rief ihn nicht, sie befahl ihn in den Spiegel. Rasend schnell gesellte er sich in die Mitte der Oberfläche und saß frech auf ihrer Nase. Wow, so fix hatte es selten geklappt. Anna fixierte ihren Stern. Sie hatte noch nie mit geöffneten Augen versucht, die Stimme ihrer Gabe zu hören. Wahrscheinlich war das unter normalen Umständen gar nicht möglich. Sie würde also eine einmalige Erfahrung machen, bevor einer der Fingerless ihr Leben auslöschte.
    Wo bist du, meine Stimme? Sing laut, damit ich dich hören kann.
    Die Melodie brach aus ihrem Innersten und füllte den Raum mit süßen Klängen. Im ersten Moment glaubte Anna, jemand hätte eine Stereoanlage mit gewaltigen Boxen aufgedreht, doch sie wusste, dass es die Magie war, die ihrem Talent die Sporen gab. Gabe und Finsternis vereinten sich. Sie wagte es nicht, den Blick vom Spiegel zu heben, um zu sehen, ob die anderen die Stimme auch hören konnten. Sicher hörte sie die Melodie allein. Der kleine Stern begann sich zu drehen. Wie ein Kreisel zog er sie in rasender Geschwindigkeit in seinen Bann. Sie war unfähig, wegzuschauen. Er glühte und flimmerte, obwohl er für gewöhnlich schwarz aussah. Der Salzkreuzanhänger an ihrem Hals flammte auf, brannte sich beißend ins Fleisch. Sie unterdrückte einen Schrei, riss ihn von der Haut und warf ihn weit weg.
    Anna schwindelte, die Umgebung flackerte, verblasste und zerfloss in jede Richtung. Ihr Körper hob förmlich vom Sofa ab. Schnell schloss sie die Augen, doch selbst die Dunkelheit drehte sich. Sie versuchte, bei voller Fahrt von dem rauschenden Karussell abzuspringen und die Hände vom Spiegel zu lösen, doch sie klebten fest. Sie stürzte haltlos in einen gefährlichen Strudel. Barrieren brachen, die Grenzen verschwammen und das Blut sank in ihre Glieder. Wo war Joshs Hand hin? Sie versuchte, blind nach etwas zu greifen, doch da war nichts, an dem sie sich festhalten konnte. Blitze stoben auf, schossen aus dem Nirwana und blendeten wie gigantische Scheinwerfer. Der Aufprall blieb aus. Schlagartig endete der Fall. Steine stachen in ihre nackten Füße.
    Ihre nackten Füße? Anna öffnete die Augen und blickte an sich hinab. Sie war tatsächlich barfuß. Ihre Schläfen pochten und ihr Herzklopfen war sicher meilenweit zu hören. Langsam drehte sie sich um die eigene Achse. Tatsächlich mussten es Steine sein, die sich in ihr nacktes Fleisch bohrten. Schwarzer Schutt, soweit das Auge reichte. Die Magier waren verschwunden und es dämmerte auf schattige, unheimliche Weise. Wo zur Hölle hatte der Spiegel sie hin verschlagen? Sie konnte nur hoffen, dass sie Kira an diesem Ort fand. Ein verbrannter Geruch hing in der düsteren Atmosphäre und kalte Windböen bliesen ihr Staub ins Gesicht.
    »Kira?« Ihre Stimme hallte in die graue Nacht. Unter keinen Umständen wollte sie länger als nötig bleiben, selbst wenn der Tod in der realen Welt wartete. Anna nahm sich ein Herz und setzte einen Fuß vor den anderen. Sie trat in etwas Spitzes und versengte sich zusätzlich die Fußsohle. »Autsch.« Das waren keine Steine. Sie lief barfuß über Kohlen, die plötzlich glühten und sich mit Glasscherben spickten. Ihr Zeh blutete und sie hielt inne, um ihn abzutasten. Sicher kam sie keine zehn Meter weit, ohne sich die ganzen Füße aufzureißen.
    »Kira?« Ein Gedanke kreuzte ihren Kopf. War das die Hölle? Sie hatte das

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