Teuflisch erwacht
mal aufklären?« Patrick klang gereizt.
Zum Teufel, sie hätte einen Gedankenleser als Freund wählen sollen. Die nervten wahrscheinlich weniger mit ihren Fragen. Manchmal benahm er sich wie ein Erstklässler, der nicht mal in der Lage war, eins und eins zusammenzurechnen. »Worüber denn aufklären? Ich werde mein Versprechen einhalten und diese Anna auspendeln. Was glaubst du denn?«
»Okay, dann lass uns anfangen.« Patrick schob den Vorhang vor das Fenster.
»Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl.«
»Du weißt, was du tust?« Patrick nahm die Brille von der Nase und rieb die Gläser mit dem T-Shirt.
Cynthia nickte hastig. »Ich räche meine Eltern.«
17. Kapitel
Bruderliebe
W er von Hoffnung lebte, starb an Verzweiflung. Sebastian saß auf dem Boden und lehnte gegen das Sofa, auf dem sein Bruder Platz genommen hatte. Die Trümmer seiner Existenz lagen vor Joshs Füßen. Er ging in sich, versuchte, sein Herz zu hören, doch er wusste nicht, ob es noch schlug. Mit voller Wucht hatte ihn die Realität in ein Eismeer getaucht. Und wie sehr er sich auch bemühte, an die Oberfläche zu gelangen, verlief jeder klägliche Versuch im Sande. Er schaffte es nicht, die Eisschicht zu durchbrechen und drohte, langsam in der Kälte zu ertrinken. Womöglich war es besser, zu ertrinken, als im falschen Boot zu sitzen. Der Preis, den er zahlte, war hoch. Er hatte Anna verraten und es würde ihr das Leben kosten. Gab es etwas, was er nicht falsch gemacht hatte? Sebastians Kopf dröhnte, er fasste kaum einen klaren Gedanken. An der Stelle, an der sein Herz einmal gesessen hatte, ragte nur noch ein aschiger Krater.
»Depressionen? Ernsthaft, Sebastian?« Josh ließ sich vom Sofa gleiten und landete im Schneidersitz neben ihm.
Möglicherweise wäre es ein Leichtes gewesen, ihn nun anzugreifen, aber selbst die Magie hatte ihn verlassen. Er brachte nicht die Kraft auf, die Dunkelheit hervorzurufen. Wahrscheinlich, weil er tief in sich wusste, dass er seinem Bruder kein Haar krümmen würde. Er hatte für die Menschlichkeit gekämpft, auf Menschlichkeit gebaut und nun war es die Menschlichkeit, die ihm eine giftige Schlange auf den Hals hetzte. Der Kreis schloss sich. Es gab nichts Menschliches an diesem Trauerspiel.
»Du glaubst wirklich, dass du sie liebst, oder?«
Er glaubte es nicht, er wusste es. Natürlich liebte er sie und seine Liebe verpasste ihr nun den Todesstoß. Er war ein Egoist. Hätte er Marla damals getötet und sich von Anna abgewandt, könnte sie jetzt ein normales Leben führen. Aber er hatte es nicht übers Herz gebracht und nur an sich gedacht.
»Es sind Menschen. Opfer, Spaß, nichts weiter. Du solltest es endlich begreifen.«
»Verzieh dich aus meinem Kopf, Josh«, flüsterte er, außerstande die Stimme zu heben.
»Wo ist sie?«
Er war froh, diese Frage nicht beantworten zu können. Es verschaffte ihr Zeit. Aber war diese Zeit etwas wert? Wer auf der Abschussliste seiner Familie stand, besaß keine Chance, zu entkommen. Endlich sah er es klar. Was hatte er sich gedacht, als er glaubte, seiner Familie trotzen zu können? Die Dunkelheit in ihm lachte schallend auf. Sie war also noch da, um ihren Spott kundzutun.
»Du wirst sie vergessen. In ein paar Jahren verschwendest du keinen Gedanken mehr an sie und kannst endlich sein, wer du bist. Merkst du nicht, was diese Frau aus dir gemacht hat?«
Sebastian sah auf. »Ist es das, was du dir einredest, wenn du an Kira denkst?«
Josh zuckte zusammen. Der Nerv lag schon eine Weile frei und Sebastian hatte ihn an wunder Stelle getroffen. Warum hatte er es nicht vorher erkannt? Mit einem Schlag begriff er den Abgrund der Wahrheit. Er schnaubte, schüttelte den Kopf und rieb sich die müden Augen. Kira hatte Josh ihre Talente vermacht, ihn als Erben gestrichen. Nun ergab das seltsame Leuchten in Joshs Iris, wann immer ihr Name fiel, immerhin einen Sinn.
»Und? Cooles Gefühl, deinen Bruder zu hintergehen?«
Willkommen Sarkasmus …
Sebastian erntete einen Klaps gegen den Hinterkopf.
»Du wolltest sie doch ohnehin nie wirklich.«
Eine Lüge und ein Beweis, dass Josh etwas besaß, was einem Gewissen gleichkam. Interessante Erkenntnis. Es hatte eine Zeit gegeben, in der Sebastian gern mit Kira zusammen war. Sie konnte witzig sein und auch charmant. Zumindest solange sie bekommen hatte, was sie wollte. Doch die jüngsten Tatsachen streiften sein Herz nicht. Kira war schon vor ihrem Tod für ihn gestorben gewesen. »Tut mir leid, Josh. Ich weiß
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