Teuflisch erwacht
loszulassen. Er öffnete den Mund, um die Formel zu sprechen.
Die Tür flog auf und Josh stürmte ins Zimmer.
Sein älterer Sohn blickte von seinem Bruder zu ihm, weitete die Augen und keuchte. »Bruderherz, du bist so ein Idiot«, entfuhr es ihm.
»Sei still. Er wird für seine Taten büßen.« Er durfte sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Josh musste lernen, dass es keine Grenzen gab, wenn es darum ging, die Ehre zu wahren. Es war gut, dass er da war, um den Tod seines Bruders mit anzusehen. Es würde ihn für alle Zeit belehren und auf seinen Wegen begleiten.
»Verschont sie. Bitte verschont wenigstens Anna«, flüsterte Sebastian in den knisternden Moment.
Die Bitte zerschnitt sein Innerstes. Statt vor Reue auf die Knie zu fallen, fragte sein Sohn nach dem Leben eines Menschen? Er hatte eindeutig den Verstand verloren. Ein dunkler Funke brachte das Feuer in ihm zum Lodern. Er schluckte gegen das brennende Verlangen, ihn zu ohrfeigen an und schüttelte den Kopf. »Das werden wir nicht.«
»Sie hat es nur getan, um mich zu beschützen.« Sebastians Stimme war kaum mehr als ein Wimmern.
»Was hat sie getan?«, fragte Josh hellhörig.
Sebastian schlug sich an den Kopf, presste die Lippen aufeinander und verzog qualvoll das Gesicht.
Joshs Augen leuchteten auf und er lachte erleichtert los. »Vater«, sagte er und berührte Jonathans Schulter. »Das Medium hat Kira getötet.«
Es klang wie Musik in seinen Ohren. Sein Sohn hatte Kira nicht umgebracht? »Sebastian hat es nicht getan?«
Josh schüttelte den Kopf. »Sie war es. Ich lese es glasklar in seinen Gedanken.«
Das änderte alles. Wenn Sebastian Kira nicht getötet hatte, gab es einen anderen Weg, seine Taten zu bestrafen und eine Lösung dafür, seinen jüngsten Sohn zu bekehren. Bei ihm hatte es doch auch geholfen. Wenn sie sich des Menschenmädchens entledigten, würde Sebastian schon zur Vernunft kommen. Er atmete tief durch, trat vor Sebastian und packte sein Kinn. Wann war sein Sohn so groß geworden? Er wurde ihm immer ähnlicher. »Hast du es nicht getan?«
»Doch, ich war es. Ich habe Kira getötet«, flüsterte Sebastian. Seine Pupillen weiteten sich.
»Er lügt. Er will sie nur beschützen.« Josh trat auf sie zu, umfasste seinen Bruder und schüttelte ihn. »Sei kein Depp, Sebastian. Keine Frau der Welt ist es wert, dass du dich mit unserem Vater zerstreitest.«
Jonathan wandte sich ab, raufte sich das Haar und seufzte. An der Tür blieb er stehen. »Josh, pass auf deinen Bruder auf. Ich habe etwas mit Antonio zu besprechen.«
Sebastian sank auf die Knie und schlug die Hände vors Gesicht.
»Und du benimm dich wie ein Magier«, donnerte er. Übelkeit wand sich in seinem Magen und stieg bitter die Kehle hinauf. Solche Schwäche duldete er nicht, aber die Worte schienen Sebastian nicht zu erreichen. »Lass ihn nicht aus den Augen«, wies er Josh an, schüttelte sich und verschwand aus dem Salon.
16. Kapitel
Lebensmüde
M arla zog die Handbremse an. Das knarrende Geräusch verlief sich im düsteren Innenhof und einen Augenaufschlag lang glaubte Anna, dass es etwas auslösen würde. Doch es blieb totenstill und nichts rührte sich. Hinter der schneebeladenen Wolkendecke schimmerte milchig die Sonne hindurch. Sie tauchte den schmutzigen Ort in ein fahles Grau, das sämtliche anderen Töne verdeckte. Selbst die Luft schien weniger Sauerstoff zu haben als an jedem anderen Ort der Welt. Anna betrachtete ihre Fingernägel. Sie hatte sie während der kurzen Fahrt bis auf das Nagelbett hinuntergekaut. Der Daumen blutete und brannte.
»Wir sollten hineingehen«, sagte Marla.
Sie hatte auf das Startsignal gewartet. Nun verließ das Schiff also den sicheren Hafen. »Ja, bringen wir es hinter uns.« Anna stieg aus dem Wagen. Was brachte es, das Unvermeidbare hinauszuzögern? Lieber taten sie es schnell und setzten dem Horror ein Ende, bevor Waltraud noch im Wagen krepierte. Ihr Gedankengang jagte ihr einen Schauder über den Körper. Sie taten das Richtige. Sie flüsterte ihrem knurrenden Gewissen die beruhigende Lüge zu. Unter keinen Umständen würde sie sich die Schuld an dem Mord auf die Brust schreiben. Das konnten getrost die Fingerless tun, insofern sie auf ihrer noch Platz dafür hatten. Waltrauds Tod würde der letzte in ihrem Namen sein. Der Engel musste es den widerlichen Magiern heimzahlen und sie ein für alle Mal zum Teufel schicken. Und auch sie wollte nicht umsonst sterben, also gab es die Möglichkeit, dass
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