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Teuflisch erwacht

Teuflisch erwacht

Titel: Teuflisch erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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Augen?« Ihre Stimme überschlug sich. Sie schaffte es nicht, ruhig zu bleiben. Verdammt, würde sie nun Waltraud die Augen ausstechen?
    »Die Augen sind das Fenster der Seele. Ihre Seele gehört der Loa, sie darf nicht entfliehen.« Salim kicherte.
    Deshalb war er blind. Seine Seele gehörte ebenfalls diesem Geisterwesen. Eiskalte Schauder liefen unaufhaltsam das Rückgrat hinab, jagten sich gegenseitig. Würde Waltraud keinen Frieden finden? Das hatte der Mistkerl verschwiegen.
    »Nun mach schon.«
    Anna untersuchte die Puppe. Das Stroh stach in die Finger und sie befleckte den Stoff mit Blut. Zögerlich fuhr sie über die Stelle, wo die Augen sitzen sollten, doch die Puppe besaß kein Gesicht. Sie hielt die Luft an. Mit bleischwerer Hand, deren Gewicht sie kaum zu heben vermochte, stach sie der Doll in den Strohkopf. Die Angst hauchte ihr den kalten Atem in den Nacken. Jedes Haar an ihrem Körper richtete sich auf und ein leiser Windzug strich um die pechschwarze Feder. Die Kerzen flackerten.
    »Was ist das?«
    »Sieh selbst.« Salim deutete mit einem Nicken zu Boden.
    Schwindel rauschte in ihrem Kopf. Sie umklammerte die Nadel, nahm sich ein Herz und blickte zu Waltraud. Blut lief aus den geschlossenen Augen der alten Frau. Es tropfte zu Boden und bildete ein Rinnsal. Die dünne Linie lief um Waltraud herum, kreiste sie ein und fügte sich zu einem Pentagramm. Sie zuckte, als hätte ihr jemand einen Stromschlag verpasst.
    Anna schluckte gegen die Übelkeit an, doch es half nicht. Sie wand sich heiß im Magen und brannte in der Kehle. Die arme Frau. Was hatte sie getan?
    »Weiter, Anna«, befahl Salim. »Stich ihr ins Herz. Verpass der Alten den Todesstoß.«
    Sie gehorchte, ohne darüber nachzudenken. Sie hob die Nadel und stach mit aller Kraft zu. Es ging leichter als sie erwartet hatte. Sie bohrte die Nadel durch das Stroh.
    Waltraud stieß einen spitzen Schrei aus.
    Die Welt drehte sich und Anna kniff die Augen zusammen. Sterben war der Übergang vom Leben zum Tod, der unumkehrbare Verlust des höchsten Gutes. Ein Teil von ihr starb mit der alten Frau. Schmerzhaft. Qualvoll. Fern jeglicher Realität. Finsternis durchbrach ihren Geist, hüllte ihn ein und verschluckte jegliches Gefühl von Hoffnung. Heiß brannte sich die Dunkelheit einen Weg durch ihr Blut. Sie ertrank im sicheren Tod, obwohl sie mit aller Kraft dagegen anruderte, davonzutreiben. Mit jedem Atemzug fühlte sie sich nahe am Explodieren. Sie schaffte es, sich über Wasser zu halten. Mit all ihrer Kraft sprang sie auf die Welle auf, die sie niederzureißen drohte und spülte die Angst hinfort. Befreit richtete sie sich auf. Ihr Herz klopfte rhythmisch und sicher in ihrem Brustkorb und mit jedem Pulsschlag wuchs das Gefühl von Macht. War es das? Fühlte es sich so an, wenn Magie durch den Körper rauschte? Ihr Kreislauf nahm Fahrt auf und brachte das Blut zum Schäumen. Ein unglaubliches Gefühl. Ihr Herz raste los, kontrollierte den wütenden Ozean. Sie war federleicht. Ein dunkler Sturm wallte auf zu einem tosenden Orkan, tobte durch ihre Eingeweide und verschlang das Gewissen. Sie versuchte, ihren Herzschlag zu zählen, doch es schien fernab der Zeit zu jagen. Wild, ungezähmt. Wie Champagner prickelte das dunkle Gewässer durch ihre Venen. Wer wollte sich ihr widersetzen?
    »Öffne die Lider, Medium, und betrachte die Welt mit den Augen eines Gottes.«
    Salims Worte bahnten sich einen Weg zu ihr und ihre Lider flogen auf. Waltraud lag leblos vor ihr.
    Sie suchte tief in sich nach Mitleid, einer Spur Verzweiflung, aber das Hochgefühl verschlang jegliches Empfinden. Waltrauds Anblick perlte von ihr ab wie eine schwarze Träne. Anna streckte die Glieder, schien zu schweben, und mit dem Adrenalin rauschte die Dunkelheit in ihren Kopf. Ihr schwindelte, aber es war ein berauschendes Gefühl, besser als alles, was sie jemals gespürt hatte. Marla hatte sich das damals entgehen lassen, weil sie keinen Menschen opfern wollte? Sie war schwach. Jeder Tod war es wert, so zu empfinden. Sie hatte sich nie lebendiger gefühlt und doch nie näher am Tod. Die wunderschöne Mitternacht hielt Einzug in ihrem Herzen. Zum ersten Mal war sie Sebastian ebenbürtig.
    »Du besitzt nun die Kraft, einen Toten zu wecken.« Salim grinste.
    Er wirkte mickrig, wie er dort vor ihr saß. Sie fixierte ihn und ihre Gedanken überschlugen sich. Sie konnte ihn töten. Es wäre sicher ein Leichtes, sein hässliches Lachen auszulöschen. Warum tat sie es nicht einfach?
    Weil du

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