Teuflisch erwacht
Das hatte er nicht getan, auf keinen Fall. Noch immer knallte es hinter ihnen, als hätte jemand die Uhr zum Silvesterfeuerwerk zurückgedreht.
»Ich sagte doch, bezahlen ist zu umständlich.«
Schwarzer Rauch schoss vor, legte sich auf die Scheibe und verfolgte ihr atemberaubendes Tempo.
Cynthia riss sich aus ihrer Starre. Sie riskierte einen Blick zurück zur Tankstelle. Alles stand in Flammen. Dreck flog durch die Luft, Asche rieselte wie Schnee vom Himmel und wütendes Feuer züngelte sich durch die rabenschwarze Luft. »Du hast die Tankstelle in die Luft gejagt?« Das konnte nicht sein. Viele Menschen waren dabei ums Leben gekommen. Sie presste die Lider zusammen, konzentrierte sich darauf, zu atmen und klammerte sich in das Rücksitzpolster. Mit einer Bewegung hatte er einfach ein paar Leben ausgelöscht. Wer war dieser Kerl? Nein, nein, nein.
»Du bist ein Mörder«, rief Patrick. Die Panik verlieh seiner Stimme einen hohen Klang. »Du hast sie alle getötet.«
»Bist du wohl still.«
»Du hast die ganzen Menschen umgebracht«, wiederholte er wie von Sinnen.
Himmel, er musste den Mund halten. Cynthias Alarmglocken schrillten auf Hochtouren. Der Typ war zu allem fähig und Patrick servierte sich ihm auf einem Silbertablett.
»Auf so ein Theater hab ich keine Lust«, sagte Josh gereizt.
»Keine Lust?« Patrick war außer sich. »Du tötest aus Lust und Laune, ohne jeglichen Grund?«
Dummer Kerl, halt den Mund.
Patrick bewegte die Hand zur Jackentasche.
Die Fahrertür flog auf. Cynthia spürte den Fahrtwind. Sie öffnete die Augen, aber es war zu spät. Der entsetzliche Aufprall erschütterte sie bis in die Seele. »Nein«, rief sie und blickte durch die rußbedeckte Heckscheibe. Patrick lag auf der Autobahn, Blut floss aus seinem Schädel. In diesem Moment erfasste ihn ein vor dem Feuer flüchtender Wagen. Er fuhr ihn einfach platt. Cynthias Herz machte einen Salto, explodierte beinahe wie die Zapfsäule. Ein schwarzer Schleier drohte zu fallen und trieb sie in eine Art Totstellreflex. Sie schaffte es nicht, auch nur einen Finger zu bewegen. Er hatte Patrick getötet. Ihren lieblichen Patrick, der immer alles für sie getan hatte. Nur ihretwegen war er tot, mitsamt einer Menge anderer Menschen, die unschuldig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Josh war ein Monster.
»Jetzt weißt du, wer ich bin, Hexe.«
Cynthia fiel in eine tiefe Dunkelheit, deren Sturz wohl am Ende den Tod mit sich bringen würde.
20. Kapitel
Dunkles Feuer
E s war fünf vor zwölf in jeglicher Hinsicht. War es besser, auf einem neuen Weg zu stolpern, statt auf der Stelle zu treten?
Obwohl Anna seit Stunden mit Marla diskutierte, kamen sie zu keinem Ergebnis. Die leisen Zweifel bohrten sich in ihren Verstand und die Zeit rann ihnen einfach durch die Finger. »Sag was. Beschwöre ich den Engel und riskiere, dass er in Wahrheit der Teufel ist?« Sie stieß hart die Luft aus. Wieso nahm ihr niemand diese Entscheidung ab?
»Hast du eine bessere Idee?«, fragte Marla.
An den Abzweigungen des Lebens standen keine Wegweiser. Man sprang ins kalte Wasser oder man sprang überhaupt nicht. Der ursprüngliche Bote konnte gefährlich sein. Schön, die Fingerless waren es auch, vom RFBM ganz zu schweigen. Das Risiko, etwas zu tun war häufig genau so gefährlich, wie etwas zu unterlassen.
»Nein«, sagte Anna. »Keine bessere Idee.«
»Dann müssen wir es wohl riskieren, oder?«
Das mussten sie wohl, bevor sich am Ende die Katze in den Schwanz biss. Anna strich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und nickte zögerlich. Sofort bereute sie die Geste.
»Wir wissen nicht, wie er ist. Er verteilte die Gaben, damit die Menschen überleben. Ganz gleich, ob er etwas fühlt oder nicht. Die Chance, dass er noch mal zu unseren Gunsten eingreift, ist groß, oder?« Marla versuchte wahrscheinlich, sich selbst gleich mit zu überzeugen.
»Also Sprung ins kalte Wasser?«
»Ist nicht das erste Mal, oder?«
Nein, es war einer unter Tausenden und wirklich hart waren sie nie aufgeschlagen. Unzählige Male hatte ihnen das Schicksal den Boden unter den Füßen weggerissen, sodass nur der Sprung geblieben war. Sie hatten nichts zu verlieren, aber eine Menge zu gewinnen.
Anna ließ Taten sprechen, öffnete wortlos die Wagentür und trat in den knirschenden Schnee. Ein kalter Wind wehte um ihre Nase und befreite das pochende Herz von der überdimensionalen Angst. Sie würde den Engel beschwören und er würde helfen. Anders durfte
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