Teuflisch erwacht
bebten.
So ein überheblicher Vollarsch. »Kannst du auf die Fahrbahn gucken?«, schimpfte Anna, bevor es noch unangenehmer würde.
Er hob den Blick. »Sehe ich aus, als würde ich einen Unfall bauen?«
»Wer weiß.«
»Dafür ist mein Hintern zu viel wert.«
Aber er tat ihr den Gefallen und blickte geradeaus.
»Beantwortest du mir eine Frage?«
Er zuckte die Schultern. »Frag und wir werden sehen.«
»Würde euer Vater wirklich seinem eigenen Sohn etwas antun?« Sie konnte sich noch immer nicht vorstellen, wie es sein musste, einfach nicht richtig zu fühlen.
»Du meinst Sebastian?« Er stieß hörbar die Luft aus. »Schwer zu beantworten. Ich glaube nicht. Aber dafür hat er ja mich.«
Die Härchen an ihrem Arm richteten sich auf. Sie durfte nicht vergessen, wer neben ihr saß. Josh Fingerless war gefährlich, selbst wenn er versuchte, sie vom Gegenteil zu überzeugen.
»Du weißt, dass es für das, was wir tun, einen Ausdruck gibt?«, fragte er plötzlich mit belustigtem Unterton.
»Stockholm Syndrom?«, schoss es aus ihr hinaus.
Er verzog das Gesicht und sah ehrlich gekränkt aus, doch kurz darauf zuckten seine Mundwinkel. »Das würde bedeuten, dass du doch das Gefühl hast, mich gernzuhaben.«
»Naja. Ebenso gern wie man jemanden haben kann, der einen entführt und damit droht, einen Menschen zu töten, für den man selbst sterben würde.« Der Satz schnürte ihr die Kehle zu.
»Also erstens ist Sebastian kein Mensch.« Er legte die Betonung auf das letzte Wort. »Zweitens ist es idiotisch, sich für einen anderen zu opfern. Das hat nichts mit Liebe zu tun und drittens meinte ich etwas ganz anderes.«
»Was denn anderes?«
»Na mit meiner Frage. Wie man das nennt, was wir tun.«
Flirten. Der Gedanke brannte sich in ihren Verstand. Sie flirtete mit Josh Fingerless und er musste sie noch mit der Nase drauf stupsen. Blut rauschte durch ihre Ohren, ihre Stirn begann zu glühen. Schuldig im Sinne der Anklage.
Josh nahm eine Hand vom Lenkrad und strubbelte ihr durchs Haar. »Und weil du das so ehrlich lieb erkannt hast, tu ich Butter bei die Fische.« Er verlangsamte das Tempo, zog auf den Seitenstreifen und bremste ab. »Anna, ich lege dir meine Seele zu Füßen und sage dir, warum du lebendig in meinem Wagen sitzt.«
Die Art, wie er den letzten Satz über die Lippen gebracht hatte, hatte etwas Theatralisches.
Er schlug die Hand auf seine Brust und klimperte mit seinen außergewöhnlich langen Wimpern.
Ihr Herz begann zu rasen und die Gedanken überschlugen sich. Wollte sie hören, was er zu sagen hatte?
»Ich habe in der Wohnung einen Gedanken aufgeschnappt. Du wolltest das nicht, aber die Angst trieb dich voran. Du warst quasi machtlos, ihn mir länger vorzuenthalten.« Er zog gekünstelt die Nase hoch, als unterdrückte er ein tiefes Schluchzen. »Ich weiß, warum du bei dem Voodoopriester warst und wozu du deine Kraft verwenden willst.«
Er wusste es? Er wusste, was sie vorhatte und sie saß lebendig in seinem Wagen? Anna zitterte. Würde er sie töten?
Er seufzte tief. »Töten? Nein, wo denkst du hin? Ich frage dich als das Wesen, das dein Leben gerettet hat und als der Mann, mit dem du eben geflirtet hast. Du besitzt die Kraft, einen Toten zu wecken? Ich bitte dich, hol sie mir wieder. Schlagartig wirkte er ernst. Seine Miene gefror zu Eis und sein Blick war beinahe spöttisch.
Annas Hirn fühlte sich taub an. Sie schaffte es nicht, die Fäden zusammenzuführen, obwohl ihr die Antwort längst auf der Zunge lag. Sie hatte offensichtlich an Verstand eingebüßt. »Wen wiederholen?«
Josh atmete tief durch. »Du schuldest mir einen Gefallen, oder? Da waren wir uns einig.«
Sie nickte, obwohl es ein Fehler war. Wieso verneinte sie nicht endlich?
»Dann wirst du den Hokuspokus nutzen und mir Kira zurückbringen.«
Da war die Antwort. In ihm schlummerte ein Gefühl, das so intensiv war, dass er über seinen Schatten sprang und sie ganz ehrlich um einen Gefallen anflehte. Sie schmolz dahin wie ein Schneeball im Glanz seiner unendlichen Schönheit. Wie sollte sie ihm etwas abschlagen? Tolle schusssichere Weste, die sie da hatte. Sein trauriger Blick berührte ihr Herz, das sich unter der Verzweiflung seiner Worte verflüssigte. Ein messerscharfer Pfeil durchbohrte ihre Eingeweide, als sich die Antwort ganz von selbst in ihrem Kopf formte. Sie konnte nicht anders, denn aus ihm sprach die pure Verzweiflung und erinnerte sie so sehr an Sebastian, dass es ihr die Sprache verschlug.
Ja.
24.
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