Teuflisch erwacht
nichts zurückhalten. Wenn er mit Josh fertig war, würde nichts als ein Häufchen Asche zurückbleiben.
Sebastian nutzte das Überraschungsmoment. Mit einer Handbewegung riss er seinen Vater zu Boden, schleuderte ihn quer durch das Gästezimmer und rauschte so schnell zur Tür hinaus, dass Jonathans Antwort nur noch die Wand traf. Sein mächtiger Fluch ließ sie erzittern. Er sprang leichtfüßig die Treppe hinunter. Dort stand sie. Eingekeilt wie ein Reh, zum Abschuss freigegeben. Ihr Anblick schlug ein wie ein Meteorit. Er sah sie nicht länger an, denn alles an ihr brachte die Dunkelheit für gewöhnlich zu Fall.
»Sebastian.« Thea trat auf ihn zu, doch er packte sie und schleuderte sie gegen die Treppe. Sie keuchte, als sie zu Boden ging.
Josh grinste ihn an.
Dieses selbstgefällige, hinterhältige Gesicht sammelte den Ekel in seiner Brust und trieb ihn wie ein Stromschlag in die Organe.
»Tretet zur Seite«, zischte Sebastian. Der Boden bebte unter seinen Worten.
Die del Rossis rührten sich keinen Meter. Sie standen kerzengerade vor ihm, starrten ihn aus offenen Mündern an und gossen damit noch Öl ins Feuer.
Er ignorierte die anderen Magier und sprang mit einem Satz auf Josh zu. Er packte ihn am Kragen und donnerte ihn mit all seiner Kraft zu Boden. Sein beherzter Tritt trieb seinem Bruder pfeifend die Luft aus den Lungen und beförderte ihn vor die Haustür.
»Sebastian. Nicht!« Annas Stimme durchbrach die Dunkelheit, und sein Wunsch geriet ins Wanken. Ungestüm wirbelten seine Gedanken durch den Kopf. Gab es etwas, das schöner klang, als ihre Stimme?
Josh flog auf die Beine. Er hob die Hand, um einen Fluch abzugeben, doch Sebastian war schneller. Er hatte nie geglaubt, wie hungrig das Monster in ihm werden konnte. Es schrie danach, sich im Blut seines Bruders zu wälzen. Sebastian schoss einen brennenden Ring ab, der sich zärtlich um Joshs Kehle schmiegte, und schloss die Hand zu einer Faust. Langsam festigte er den Griff, während er Josh packte und gegen die Haustür drückte.
»Das war der größte Fehler, den du machen konntest.«
Sebastian sah ihm in die Augen. Sein Herz raste in einem Tempo, das unter Umständen seine Brust gesprengt hätte. Der Drang, seinen Bruder zu töten, war größer als alles, was er je verspürt hatte. Wie ein Wirbelsturm fegte das brennende Verlangen durch seine Adern und die aufgestaute Magie, die er seit Monaten bloß in schwachen Zügen genutzt hatte, brach aus ihrem sicheren Versteck.
Josh verzog das Gesicht. Der glühende Ring versengte ihm mittlerweile das Fleisch am Hals. Jede Bewegung würde ihn das Leben kosten.
»Und das war das Dümmste, was du je getan hast.« Jonathan stand hinter ihm. Die Kälte, die von ihm ausging, streifte seinen Nacken und brachten das Feuer in ihm zum Aufflackern.
Blitzschnell wirbelte er herum, und eine überwältigende Ohnmacht flutete in bittersüßen Strömen sein Herz. Die Angst rüttelte seinen Verstand wach, denn Jonathans Blick sagte alles. Sein Vater hatte Anna. Mit seinem stahlharten Griff umschloss er ihren Oberarm und seine Augen funkelten kälter als das blaue Eis des Südpols. Mit der anderen Hand fuhr er bis zu ihrem Genick hinauf.
Anna schloss die Augen. Ihr Körper bebte.
Das Bild lähmte seinen Atem und Blut rauschte in seinen Kopf, rüttelte die Hirnzellen wach. Ein Film spielte sich in seinem Kopf ab. Jonathan würde sie töten.
»Nimm den Fluch von deinem Bruder, Sebastian.«
»Damit du ihr in der Sekunde den Hals umdrehst?« Er schüttelte den Kopf. Noch saßen sie beide in einer Zwangslage. Solange er Josh im Griff hatte, konnte sein Vater sie nicht umbringen.
»Rührst du ihn an, ist sie tot.«
Sie waren zu viele. Während er der Bedrohung seine Aufmerksamkeit schenkte und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, packte ihn jemand hart an der Schulter. Eine unglaubliche Kraft riss ihn herum und sein Fluch brach, wie ein Ästchen unter einem Sicherheitsschuh. Josh fiel auf die Knie.
»Bloß weil ich bisher nicht auf die Idee gekommen bin, dir wehzutun, heißt das nicht, dass ich es nicht tun würde, wenn es nötig ist.« Seine Mutter sah ihn an.
Sebastians Arme flogen auf den Rücken und sein Zauber schloss den brennenden Ring um seine Handgelenke, bevor er auch nur in Erwägung ziehen konnte, Thea anzugreifen. »Mom«, setzte er an, doch es gab kein Wort auf der Welt, mit der er sie bitten konnte, es nicht zu tun.
Thea Fingerless stand auf der Seite seines Vaters, für alle Ewigkeit.
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