Teuflisch erwacht
tragen, dass ihr Blut nicht an seinen Händen klebte. Aber tat es das nicht ohnehin? Er trug die Schuld daran, dass seine Familie sie tot sehen wollte.
Sebastian richtete sich auf. Er fühlte sich nah am Ersticken, denn seine Gefühle legten ihm eine Schlinge um den Hals. Mit jedem Atemzug zog sie sich weiter zu. Vielleicht sollte er es doch tun? Ganz sanft. So konnte er immerhin sicherstellen, dass sie ohne Qualen starb. Josh würde seine Drohung wahr machen und es auf Übelste beenden.
Er rief sich ihr liebliches Bild vor Augen. Ihre blonden Haare, die im Wind wehten, und ihre riesigen Kulleraugen, die immer ein wenig traurig blickten. Er würde es nicht übers Herz bringen.
Zum Teufel, was suhlte er sich überhaupt in Selbstmitleid? Nach über einhundert Jahren Lebensdauer sollte man doch meinen, eine gewisse Reife zu besitzen. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Feuerball. Er musste sich entscheiden. War Anna es wert, seinem Vater erneut vor den Kopf zu stoßen? Er wusste, dass er keine Chance hatte, zu gewinnen, aber er brauchte nicht kampflos unterzugehen. Er hatte ihr Leben in Gefahr gebracht und nun war es an ihm, wenigstens bis zur letzten Sekunde für sie zu kämpfen.
Die Empathengabe hatte seine Seele gespalten. Dummerweise hatte sie es geschafft, exakt die Mitte zu treffen. Die Finsternis, die ihre seidenen Fäden durch seinen Verstand zog, war ebenso präsent, wie der Wunsch, das Richtige zu tun.
Er brauchte bloß die Treppe hinuntergehen, Anna den Hals umdrehen und seiner Familie sagen, dass es ihm leidtat. Vielleicht hörte der Spuk dann endlich auf und er konnte sein Leben wieder selbst in die Hand nehmen. Möglicherweise stimmte die Ansicht seines Vaters ja, und kein Mensch besaß genügend Wert, dass er sich für ihn aufgab. Er war ein Fingerless , ihm gebührte Macht und Stärke und früher oder später würde er über sie hinwegkommen. Er hatte noch ewig Zeit.
Sebastian schüttelte sich. Gehörten die abartigen Gedanken wirklich ihm? Er suchte die Antwort in seinem Herzen und fand sie auf Anhieb. Er gehörte nicht der Dunkelheit. Sie war ein Teil von ihm, ließ sich niemals so ganz leugnen, aber sie beherrschte ihn nicht. In den Trümmern seines Lebens stand ein unzerstörbares Fundament und es trug ihren Namen. Ganz egal, wie viele Mauern noch einstürzten.
Sebastian sprang auf die Füße. Es war endgültig Schluss mit dem Katzenjammer. Sie wollten Anna umbringen? Schön, dann mussten sie sich ihren Tod erkämpfen. Er stürzte fest entschlossen zur Tür und lief geradewegs in die Arme seines Vaters.
»Wohin des Weges?«, fragte er und stieß in zurück ins Zimmer.
Sebastian stolperte.
Jonathan stand hocherhobenen Hauptes vor ihm und verschränkte die Arme.
»Was glaubst du wohl?« Es kostete Kraft, all seine Stärke in die Stimme zu legen und dem Blick seines Vaters standzuhalten.
»Deine Freundin hat mit Josh einen Deal. Sie hat mit Voodoo experimentiert und wird Kira zurück ins Leben rufen. Im Gegenzug lassen wir euch laufen.«
Sein sarkastischer Unterton schlug ihm förmlich ins Gesicht. Er hatte der Hölle schon öfter einen Besuch abgestattet, doch bisher war er ein flüchtiger Gast gewesen. Diesmal schlossen sich die Tore, denn Sebastian erkannte zum ersten Mal, wie tief der Abgrund tatsächlich war, in den er haltlos stürzte. Sein Vater begnügte sich nicht damit, ihm das Liebste zu nehmen, das er besaß, sondern er wollte es auf grausame Weise vernichten. Er log ihm eiskalt ins Gesicht. Die bittere Wahrheit traf ihn wie ein Hammerschlag. »Natürlich, dein Herz ist so groß, dass du sie danach laufen lässt.«
Jonathan lächelte kühl. »Sicher doch. Ich denke, sie und Josh haben sich angefreundet. Er wird wohl kaum einer Freundin ein Märchen auftischen, oder?«
Sein Bruder war doch wirklich das Letzte. Womit hatte er es verdient, in diese Familie geboren worden zu sein? Anna hatte sich mit ihm angefreundet? Sie fiel auf das Arschloch rein? Es riss ihm die Brust auf. Josh hatte es geschafft. Er entflammte ein dunkles Feuer tief in seinem Herzen. Es brannte jegliches Empfinden nieder, fraß ihn auf. Die Vorstellung, dass er und Anna sich gut verstanden hatten … Sie gehörte ihm. Was bildete sich dieser Saftsack überhaupt ein? Und warum bemerkte sie nicht, dass Joshs Show nichts anderes als ein Todestanz war? Heißer, als die Hölle, in der er saß, schwappte die Magie durch seine Venen. Er ließ es zu, gab sich ihr hin und die Funken stoben durch seinen Verstand. Bloß
Weitere Kostenlose Bücher