Teuflisch erwacht
Augen.
»Dann hat sie nicht zusammen mit Sebastian Fingerless die Hälfte unserer Mitglieder getötet?«, rief Aldwyn in Rage.
Marla hustete. Ihre Schläfen pochten und sie glaubte, er hatte ihr ein paar Rippen gebrochen. Vielleicht machte er seine Drohung ja wahr und brach ihr jedes Körperteil. Alte Männer mit Stöcken waren ihr schon immer ein Graus gewesen und nun wusste sie auch, weshalb. »Sie haben unsere Familien entführt. Was hätten wir tun sollen? Zusehen, wie Sie einen nach dem anderen abschlachten? Sebastian Fingerless kämpft gegen seine Familie«, presste sie erstickt hervor.
Es war sinnlos. Sie redete gegen eine Wand. Der RFBM wollte die Wahrheit nicht hören und hatte seine verbohrte Meinung längst zur Realität gekrönt.
Aldwyn trat näher. Er packte ihr Gesicht mit seinen faltigen Händen. Marla würgte. Lieber sollte er sie weiter prügeln, als sie anzufassen.
»Sie sind eine Heuchlerin und eine Betrügerin. Jeder Satz aus Ihrem Mund ist gelogen. Sie sind uns nicht mehr von Nutzen, Marla. Aber ich verspreche Ihnen, Sie werden die nächsten Stunden für das büßen, was Sie und Ihr ganzes Pack uns angetan haben.« Er packte ein Büschel Haare und riss sie ihr vom Kopf. Marla schrie, als der Schmerz explodierte und Sternchen auf sie hinabrieselten. Die Welt flackerte.
»Ich lasse Sie nicht einfach sterben. Sie werden in Etappen verrecken und ich werde jede Sekunde davon genießen.« Er sprach einen Zauber und ihre Lippen schlossen sich.
Sie versuchte, dagegen anzukämpfen, doch eine brennende Qual trieb Tränen in ihre Augen. Marla fuhr mit der Zunge über die Lippen und die Fadenenden bestätigten ihren grausamen Verdacht. Der Mistkerl hatte ihr auf magische Weise die Lippen vernäht. Ihr Herz begann hart gegen den gebrochenen Rippenbogen zu schlagen und ein Schauder jagte den nächsten über ihren Körper. Sie wimmerte leise. Eigentlich hatte sie sich mit dem Tod bereits abgefunden, aber nicht mit dem Sterben. Sie weitete die Augen, um nicht das Bewusstsein zu verlieren, und blickte in sein eiskaltes Gesicht. Sein Ausdruck verriet, dass ihre schrecklichsten Albträume Wirklichkeit werden würden. Aldwyn Eltringham würde sie nicht weiter prügeln, denn das war nicht grausam genug. Er wollte sie auf schlimmste Weise zu Tode foltern und es gab nichts, was sie noch dagegen tun konnte. Marla erkannte, dass Angst kein Gefühl, sondern ein Urtrieb war.
*
Jonathans Blick nagelte ihn fest. Josh hasste es, wenn sein Vater ihn auf diese Weise ansah. Eigentlich kam es auch nicht oft vor, denn diesen Gesichtsanspruch hatte Sebastian eigentlich für sich gepachtet. Der stumme Vorwurf, den sein Gesicht widerspiegelte, streifte sein Herz.
»Was ist nur in dich gefahren, Josh?«
»Sie kann Kira zurückholen. Es ist mein Ernst.«
»Das meine ich nicht. Wie kannst du dich in aller Öffentlichkeit gegen mich wenden und mir dermaßen in den Rücken fallen? Hat Sebastian nicht bereits genug Schande über uns gebracht? Ich erzähle Antonio, sein Sohn wäre respektlos, und wie verhalten sich meine Kinder?«
Josh trat ans Fenster, doch er senkte den Kopf. »Meine Antwort bleibt dieselbe. Sie kann Kira zurückholen.«
»Und woher weißt du, dass es keine Falle ist?«
Weil Anna Graf nicht gerissen genug war, ihn zu hintergehen. »Ich habe sie in der Wohnung eines Voodoopriesters gefunden. Ich spüre die dunkle Magie, die sie aufgenommen hat.«
»Und was wollte sie dort? Was will sie mit diesem Dämonenhokuspokus eigentlich? Gegen uns kämpfen?«
Josh atmete tief durch und blickte seinen Vater an. »Sie wollte unseren Vorfahren zum Leben erwecken, damit er uns Einhalt gebietet.«
Jonathan lachte los. »Du machst Witze?«
»Kein Scherz. Ich las es in ihren Gedanken.«
Sein Vater verstummte und musterte ihn eine Weile. »Es gibt eine Prophezeiung, die besagt, dass Anna Graf uns zu Fall bringen wird«, entfuhr es ihm nach einer Weile.
Josh stieß laut die Luft aus. »Und damit kommst du erst jetzt?« Eine Prophezeiung? Warum hatte sein Vater es nie erwähnt? Seit wann wusste er davon?
»Des Arztes Tochter, jung und rein,
wird siegen über Angst und Schein.
Anna mit dem blonden Haar, beschwört die Geister,
macht sich rar.
Die Kraft der Gabe, so steht es geschrieben,
wird in der Nekromantie liegen.«
»Das klingt sehr schwammig, findest du nicht?« Eigentlich klang es das überhaupt nicht. Joshs Herz rutschte Richtung Hose.
Jonathan raufte sich das Haar. »Ich kannte die Seherin,
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