Teuflisch erwacht
wirkte auf sie wie eine Droge, deren Rausch sämtliche Angst aus ihrem Körper spülte.
Luca kam eilig aus einem der hinteren Zimmer zurück. »Ich hoffe, der reicht.« Atemlos reichte er ihr einen Spiegel und riss sie damit aus dem Moment der Vollkommenheit in die grausame Realität.
»Ich hab keine Ahnung.« Anna zuckte die Schultern und strich über die glatte, kalte Oberfläche. Der Spiegel war zwei Hände groß. »Ich brauche in jedem Fall Ruhe, wenn ich es versuche, und ich will mich hinsetzen.« Stand es ihr überhaupt zu, Bedingungen zu stellen? Aber schließlich wollten sie was von ihr und sicher lag ihnen etwas daran, dass es auch glückte.
Josh deutete mit dem Kopf über den Flur. »Na los, ihr habt sie gehört. Gehen wir in den Salon.«
Sie ignorierte die erstaunten Blicke der Magier und folgte ihm. Alle anderen leider auch. Heiß und kalt lief es ihr den Rücken hinunter, während sie den Schritten der Unmenschen hinter sich lauschte. Wenn sie versagte, zerstörte sie damit alles und verschenkte die winzige Chance.
»Mach es dir bequem.« Antonio del Rossi hatte endlich seine Sprache wiedergefunden. Er setzte sich auf ein ledernes Sofa und klopfte einladend neben sich.
Na super, sie musste sich neben ihn setzen? Sie würde sich ihren kleinen Stern nicht einmal vorstellen können, wenn Kiras Vater ihr so nah war. Widerwillig ließ sie sich nieder.
Jonathan und Thea blieben mit Sebastian im Raum stehen. Besaß er trotz Fluch so viel Macht, dass sie ihn lieber zu zweit bändigten? Jonathan hielt ihn sogar sicherheitshalber am Oberarm fest. Der Rest versammelte sich um Anna herum.
»Wie soll ich mich denn so konzentrieren?«, fragte sie. Es reichte. Es kostete ohnehin alle Überwindung, den Horror durchzuziehen, aber eingekeilt zwischen einem Haufen Monster würde sich die Kraft nicht ansatzweise lohnen. So ging es einfach nicht.
Die del Rossis tauschten einen Blick. Antonio bot Gia seinen Platz an und trat ein Stück zur Seite.
Josh schwang sich auf die Armlehne der anderen Seite und legte frech einen Arm um sie. »Du machst das schon, Anna. Ich zähl auf dich.«
Sebastian schielte zu ihnen hinüber und eine scharfe Klinge streifte ihr Herz. Er blickte nur eine Sekunde auf, aber in diesem winzigen Moment las sie Hass in seinen Augen. Himmel, meinte er sie? Sie tat das alles doch bloß für ihn.
Anna rutschte ein Stück von Josh weg und bemerkte, dass sie schon fast auf dem Schoß der Magierin saß. Was für eine Lage.
»Luca, stell dich mit deinem Vater etwas abseits«, kommandierte Gia. Ihre Stimme vibrierte.
Luca verzog das Gesicht, worauf Antonio ihn anstupste. »Na los.«
Sie traten ein paar weitere Schritte zurück.
»Ich muss ihren Namen in den Spiegel ritzen. Ich brauche dafür irgendwas Spitzes.« Sie schickte ein stilles Gebet in den Himmel, dass sie Salims Anweisungen richtig in Erinnerung behalten hatte. Ihre Gabe würde es schon richten, hatte er gesagt. Und wenn nicht? Von der Dämonenmagie fühlte sie jedenfalls nichts mehr. Sie war im Meer der Angst ertrunken.
Jonathan durchquerte den Raum, zerrte Sebastian hinter sich her zum Schreibtisch am Fenster. Er wühlte in einer Schublade und überreichte ihr schließlich einen goldenen Brieföffner.
Anna vermied es, Sebastian anzuschauen. Sie wusste nicht, ob sie seiner Enttäuschung weiter standhalten würde. Ihre Hand zitterte, als sich ihre Finger um den schweren Gegenstand schlossen.
»Ich werde nachhelfen, den Voodoozauber hervorzulocken, wenn du es nicht schaffst.« Josh trommelte mit zwei Fingern auf ihre Schulter.
Anna nickte geistesabwesend. Sie rief sich Sebastians Lächeln vor Augen, damit sie den schwersten Schritt ihres Lebens gehen konnte, und hielt die Luft an. Mit aller Kraft drückte sie die Spitze des Brieföffners auf die Spiegeloberfläche.
30. Kapitel
Wenn Seelen schlafen
M arla sehnte sich danach, den Kopf in den Nacken zu werfen. Stumme Schreie verließen ihren Körper, der einzig und allein noch aus Schmerz bestand. Sie war außerstande, einen Laut von sich zu geben und ihre Nasenflügel zitterten bei jedem Atemzug.
Aldwyn atmete ebenfalls schwer. Er hatte sich völlig an ihr verausgabt.
Sie blutete aus zahlreichen Schnitt- und Platzwunden und jeder Knochen fühlte sich wund oder gebrochen an. Ihr rechtes Auge schwoll zu und die Fäden in ihrer Lippe spannten unter einer blutenden Wölbung. Sie erlebte das alles bei vollem Bewusstsein. Schmerz war ein subjektives Empfinden und jeder Mensch
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