Teuflische Freunde: Roman (German Edition)
hätte er mir gezeigt. Nicht dass das besonders edel ist, aber so läuft das unter Kumpeln eben.«
»Hast du je gesehen, was auf Gregs Kamera drauf war?«
»Manchmal hat er uns was gezeigt, aber was alles genau, das weiß ich nicht.«
»Ist die Videokamera bei seiner Mutter?«
»Schätze, schon.«
»Also gut, Joey, für den Anfang hilft mir das weiter.«
Der Junge nickte. »Darf ich Sie was fragen?«
»Klar.«
»Warum tun Sie das?« Joey wirkte gequält. »Also, wenn Greg was Schlimmes getan hat, warum das alles ausgraben?«
»Das ist eine gute Frage. Zuerst mal hat mich seine Mom gebeten, ihr dabei zu helfen, die Motive ihres Sohnes zu verstehen. Aber wenn etwas Unangenehmes dahintersteckt, werde ich das Ganze sorgfältig zurechtstutzen.«
»Ja, das find ich gut. Ich glaub zwar nicht, dass er was Schlimmes getan hat …«
Decker betrachtete das Gesicht des Jungen. Er wirkte ernst. »Glaubst du, deine Freunde würden mal mit mir sprechen?«
»Kein Problem. Ich weiß nicht, was die Ihnen sagen werden. Wahrscheinlich kannte ich Greg besser als jeder andere.«
Decker reichte ihm einen Stift und einen Zettel. »Könntest du mir die Namen und ihre Telefonnummern aufschreiben?«
»Klar.«
Währenddessen plante Decker seine nächsten Schritte. Die Kamera besorgen, den Computer des Jungen untersuchen und sich in seinem Zimmer umsehen. In einer Sache lag Joey richtig: Wie viel würde Wendy Hesse wirklich wissen wollen? Nachdem Joey ihm alles zurückgegeben hatte, sagte Decker: »Eine wichtige Frage habe ich noch. Hast du irgendeine Idee, wie Greg an die Waffe gekommen sein könnte?«
»Nein, nicht, was diese Waffe betrifft.« Joey atmete tief durch. »Aber eins kann ich Ihnen versichern. Es ist nicht schwer, an der B and W an Waffen zu kommen. Da gibt’s Waffen, da gibt’s Alkohol, da gibt’s Drogen, da gibt’s Pornos, und da gibt’s gute Noten und Testergebnisse.«
»Einfach so, ganz leicht?« fragte Decker.
»Einfach so, ganz leicht«, antwortete Joey. »Sie müssen nur dafür bezahlen.«
8
Während des Schlussduetts – »Gran Dio, morir si giovane« – blickte Gabe auf Yasmine, die ihr Gesicht in ihren Händen verbarg. Ihre Augen waren durch gespreizte Finger sichtbar, und Tränen liefen über ihre Wangen. Er hatte sich die ganze Zeit auf Tonlage, Klang und Lautstärke konzentriert. Aber das kleine Mädchen neben ihm schluchzte, weil Violetta kurz davor stand, an Tuberkulose zu sterben.
Wer also holte hier das Maximum aus diesem Nachmittag heraus?
Beim Zwinkern mit den Wimpern quollen frische Tränen aus ihren Augen. Gabe legte als schützende Geste einen Arm um ihre Schulter, und sie ließ sich schlicht und ergreifend auf ihn fallen, und dicke salzige Tränen durchnässten sein Hemd. Als Violetta schließlich starb und der Vorhang fiel, richtete sie sich auf, holte ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und wischte sich das Gesicht trocken. Die Verbeugungen dauerten weitere fünf Minuten, und dann gingen die Lichter an.
Bis sie tatsächlich aus dem Gebäude traten, war es bereits halb sechs. Am Himmel war die Abendröte eines überwältigenden Sonnenuntergangs zu sehen – aus verschiedenen Pink-, Orange- und Lilatönen. Der Boden war nass, die Luft kühl.
Yasmine umklammerte ihren Oberkörper. Ihre Stimme klang immer noch zittrig. »Woher bekommen wir jetzt ein Taxi?«
»Wir bekommen keins.« Gabe blickte auf seine Uhr. »Bis wir es gerufen haben und es da ist, sind wir mit dem Bus schneller.«
»Wie lange wird die Fahrt nach Hause dauern?«
»Ungefähr eine Stunde, eher etwas länger.«
»Ich hab meiner Mom gesagt, dass ich um sechs wieder da bin.«
»Daraus würde sogar mit einem Taxi nichts werden. Wir müssen uns beeilen. Der Bus fährt in fünf Minuten ab, und wir warten eine halbe Stunde, wenn wir den verpassen.« Er ergriff ihre Hand und zog sie neben sich her, und sie waren eine Minute vor Abfahrt des Busses an der Haltestelle. Sie hüpfte auf und ab und rieb sich die Arme. »Ist dir kalt?«, fragte er.
»Mir ist immer kalt.«
»Heute ist es auch wirklich kalt.« Mit seinen Händen rieb er ihre Schultern.
Als der Bus kam, sagte sie: »Tut mir leid, dass ich so gerührt war. Ich hoffe, es war dir nicht peinlich.«
»Wir waren im Theater, und du sollst davon berührt sein. Wir Künstler leben für Menschen wie dich.«
Sie stiegen in den Bus ein, und er bezahlte ihre Fahrkarte. Die Luft im Bus roch abgestanden, aber wenigstens war es warm. Gabe entdeckte im hinteren Teil zwei
Weitere Kostenlose Bücher