Teuflische Freunde: Roman (German Edition)
freie Plätze. Er überließ ihr den Fensterplatz und setzte sich selbst an den Gang – bequemer für seine Beine, und sein Körper würde sie abschirmen, falls sich ein paar üble Bandenmitglieder im Bus einfänden. Schnelle Busverbindungen gab es in Los Angeles nicht. Busse waren das Haupttransportmittel derer, die zu arm oder zu jung waren, um ein Auto zu besitzen. Sie holte ihr Handy aus der Tasche und begann, in einer fremden Sprache zu sprechen, wahrscheinlich Farsi. Ein paar Minuten später unterbrach sie die Verbindung.
»Alles in Ordnung?«
»Meine Freundin sagt, sie deckt mich. Ich bin ja angeblich bei ihr zu Hause.«
»Nette Freundin. Warum bist du nicht einfach mit ihr in die Oper gegangen?«
»Sie wäre mitgekommen, aber sie hätte es gehasst. Es macht keinen Spaß, mit jemandem zu gehen, der die ganze Zeit auf die Uhr schaut.«
»Verstanden.«
»Vielen, vielen Dank, dass du das für mich getan hast.«
»Ehrlich gesagt, hab ich dir zu danken. Die Danielli hatte ich noch nie live gehört. Sie war hervorragend.«
Yasmine legte eine Hand auf ihr Herz. »Oh mein Gott, es war wie ein Rausch.« Sie atmete einmal tief ein und aus. »Das ist jetzt vielleicht gemein, aber ich finde nicht, dass der Typ, der den Alfredo gegeben hat, ihr gerecht wurde.«
Er hob die Augenbrauen. »Stimmt, er hat ein paar Töne verpatzt.«
»Genau, kurz vor dem Ende … Meine Güte, war dem das nicht peinlich? Mal ehrlich, darf man so singen, wenn man mit Alyssa Danielli auftritt?«
Gabe betrachtete ihr Gesicht. »Du hast wirklich ein sehr gutes Gehör. Sind in deiner Familie alle musikalisch?«
»Meine Mom hat früher mal gesungen.«
»Oper?«
»Nein, nur auf Partys oder so. Sie macht das nicht mehr.«
»Warum nicht?«
»Weil sie verheiratet ist. Also, sie singt schon noch, aber eben nicht professionell.« Yasmine wirkte ganz in Gedanken versunken. »Sie hat eine wunderschöne Stimme.«
Gabe nickte. »Und deine Eltern haben dir überhaupt keinen Musikunterricht ermöglicht?«
»Oh, doch. Jede von uns hatte Klavierstunden. Ich hab’s nicht gepackt. Ich bin unglaublich schlecht.«
»Wie lange hast du gespielt?«
»Rein theoretisch gesehen, spiel ich immer noch, aber ich bin ein hoffnungsloser Fall. Ich mag nicht drüber reden. Und schon gar nicht mit dir.«
Ein paar Minuten saßen sie schweigend nebeneinander. Gabe holte einen Müsliriegel aus seiner Tasche, und kaum hatte er das getan, stierte Yasmine seinen Snack an. Wortlos hielt er ihn ihr hin.
»Hast du noch einen?«, fragte sie.
»Greif zu.«
»Wir teilen ihn uns.«
»Greif zu.«
Sie nahm ihn und brach ihn in der Mitte durch.
Gabe behielt seine Hände auf dem Schoß. »Lass ihn dir schmecken.«
»Warum hast du ihn dann ausgepackt, wenn du ihn nicht essen willst?«
»Aus purer Gewohnheit. Manchmal brauche ich einen Zuckerschub.« Er betrachtete wieder ihr Gesicht. »Du siehst müde aus. Hast du heute schon irgendwas zu dir genommen, außer der Diet Coke in der Pause?«
»Kaffee.« Als Gabe die Augen verdrehte, sagte sie: »Ich hatte keine Zeit.« Vorsichtig knabberte sie an dem Müsliriegel herum.
Gabe wartete einen Moment, dann sagte er: »Magst du Klaviermusik?«
»Natürlich mag ich Klaviermusik. Mir gefällt, wie du diese Musik spielst, eben nicht so massakriert – ich selbst spiel ähnlich.«
Er lächelte. »Ich frag nur, weil nächsten Samstagnachmittag ein Konzert an der Uni stattfindet.« Er dachte kurz nach. »Seid ihr Schomer Schabbes ?«
»Wir gehen morgens zur Schul , aber wir fahren Auto und so.« Sie sah ihn direkt an. »Für einen Katholiken kennst du ganz schön spezielle Ausdrücke.«
»Wer bei den Deckers wohnt, schnappt einiges auf.«
»Egal …« Sie sah weg und biss sich auf die Lippe. »Was hast du gerade gesagt?«
»Ach, ja, also den Pianisten kenn ich von den Wettbewerben. Paul Chin. Er ist auch Schüler an der SC, und wir haben denselben Klavierlehrer. Er ist ziemlich gut.« Pause. »Ich geh ganz sicher hin. Wenn du mitkommen willst, gerne.«
»Das fänd ich super. Um wie viel Uhr?«
»Gleiche Zeit, um drei.« Sie sagte nichts, während ihre Augen irgendwo in der Ferne etwas ausrechneten. »Warum sagst du es deinen Eltern nicht einfach?«, fuhr er fort.
»Sie würden es mir nicht erlauben.«
»Yasmine, es ist doch keine ernsthafte Verabredung –«
»Das weiß ich.«
»Ganz offensichtlich liebst du klassische Musik, und es ist schade, diese Liebe zu unterdrücken.«
»Meine Eltern sind altmodisch, vor allem
Weitere Kostenlose Bücher