Teuflische Freunde: Roman (German Edition)
zeichnete«, sagte Eric. »Sie war eine tolle Künstlerin. Ich glaube, sie hat für die Schülerzeitung ein paar Cartoons gezeichnet.«
»Fällt Ihnen sonst noch etwas ein?«
Er atmete tief durch. »Vielleicht hatte sie außerdem andere Interessen, aber das weiß ich nicht. Ich bin die meiste Zeit nicht hier. Es war purer Zufall, dass ich …« Seine Augen wurden feucht. »Ich bin entweder an der Uni oder in der Bi bliothek. Dazu mache ich nach der Schule und an den Wo chenenden noch ein Praktikum. Meistens komme ich nur zum Schlafen her. Ich habe meiner Mutter angeboten, die Betten zu tauschen – ich brauche mein Zimmer nicht mehr –, aber sie ist stur. Ich glaube, das haben Sie auch schon bemerkt.«
Decker hörte Stimmen aus dem anderen Raum. Marge steckte ihren Kopf durch die Tür. »Der Arzt ist da.«
»Gut.« Decker wandte sich an Eric. »Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Noch einmal, mein Beileid.«
Eric nickte, und gemeinsam gingen sie zurück ins Wohnzimmer.
Radcliff war Mitte fünfzig und hatte graues Haar. Über einem hellblauen Hemd trug er einen Pulli, dazu Jeans. Er klopfte Eric auf die Schulter. »Wir haben beschlossen, uns im Krankenhaus zu treffen.«
»Vielen, vielen Dank«, sagte Eric.
Marge beendete ihr Handy-Gespräch. »Unten warten zwei Kriminaltechniker. Vielleicht sollten wir warten, bis Mrs. Gelb ins Krankenhaus aufgebrochen ist.«
Decker stimmte ihr zu, während man Udonis Gelb half, sich in einen Rollstuhl zu setzen. »Ich halte Sie auf dem Laufenden, Eric«, sagte Dr. Radcliff. »Kann ich Ihre Handynummer haben?«
Er gab sie ihm. »Danke, Doktor.«
Kaum hatte die Mutter das Haus verlassen, betraten die beiden Ermittler der Gerichtsmedizin die Wohnung, Jamaica Carmichael und Austin Bodine.
»Ich muss mich darüber informieren, wie das passiert ist«, sagte Decker zu Eric. »Jede Menge Leute werden jetzt hier aus- und eingehen. Sie brauchen nicht dabei zu sein.«
»Ich habe es meiner Mutter versprochen.«
»Dann warten Sie am besten im Wohnzimmer.«
Eric nickte.
Marge geleitete die Kriminaltechniker an den Ort des Geschehens. Decker zückte seinen Notizblock. Ein ganz normal aussehendes Schlafzimmer – blaue Wände, weiße Möbel und eine weiße seidige Decke mit überall verstreuten Blutflecken. Die Waffe – ein .22 Taurus Revolver – lag immer noch auf dem Bettüberwurf, aber der Leichnam befand sich auf dem Boden, am Fuße des Bettes, wie weggeworfen. Ihr Gesicht war auf die Seite gedreht und lag in einer Pfütze von Blut, das am Gerinnen war. Aus einem schwarzen Loch tropfte Blut über ihre Wange und ihren Schädel und verklumpte in ihren kurzen, dunklen Haaren. An ihrer rechten Hand befanden sich jede Menge Schmauchspuren. Sie trug ein graues T-Shirt und dunkle Jeans. Ihre Füße waren nackt.
»Habt ihr schon die Flugbahn des Projektils bestimmt?«, fragte Decker.
»Ich habe Messungen von der Waffe zu ihrer Hand durchgeführt und von der Waffe zu ihrem Kopf, aber sie lag auf dem Boden, als ich ins Zimmer kam. Ich habe mich bereits hier umgesehen, aber bis jetzt keine Kugel gefunden.«
Der eine Ermittler der Gerichtsmedizin, Austin Bodine, drehte langsam den Kopf. »Wir haben keine Kugel gefunden, weil sie noch in ihr steckt. Es gibt keine Austrittswunde.«
Marge ging ihre Notizen durch. »Mir kommt es so vor, als hätte sie auf der Bettkante gesessen, als sie es tat. Die Waffe fiel durch den Rückstoß aufs Bett, aber sie selbst rutschte auf den Fußboden. Der Bettüberwurf ist aus einem seidigen Material … glitschig.«
»Seid ihr sicher, dass es nur ein Schuss war?«
»Bis jetzt gibt es nur den einen in den Kopf.« Jamaica drehte den Körper vorsichtig auf die Seite. »Alles andere scheint intakt zu sein.«
Bodine hüllte die Hände in kleine Plastiktüten. »Wollt ihr ihre Kleidung untersuchen, bevor wir sie wegbringen?«
»Gerne«, meinte Marge. Sorgfältig untersuchten die beiden Polizisten ihre Anziehsachen nach Fremdkörpern – Haaren, Fasern, irgendetwas, das auf die Anwesenheit einer zweiten Person im Zimmer hindeutete. Das Blut war überallhin gespritzt. Es sah aus wie eine eigenhändig zugefügte Schusswunde, nicht anders als bei Gregory Hesse. Aber wenigstens gab es bei diesem Fall ein paar Antworten auf das Warum.
Sobald Marge und Decker mit der Kleidung fertig waren, begannen die Kriminaltechniker mit dem schwierigen Einpacken und Aufheben des Körpers. Sie lagerten die sterblichen Überreste von Myra Gelb auf einer stählernen
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