Teuflische List
Gemeinde im Chor.
Bitte, lieber Gott, segne und beschütze mein Baby.
Das war nun ihr einziges Gebet, und sie wiederholte es ständig, wo immer sie war.
Das war alles, was jetzt noch zählte.
»Ich schäme mich so sehr«, sagte Drew Martin, stellte die Geschenkpakete ab, die er mitgebracht hatte, und brach in Tränen aus.
»Um Himmels willen, Drew«, sagte Jules, »wo hast du gesteckt? Deine Nachbarin hat gesagt, sie hätte dich gehen sehen. Da wusste ich, dass du in Sicherheit warst, aber …«
»Ich war in Harrogate«, sagte er, »und habe mich bei meiner Schwester versteckt.«
»Aber ich habe Pauline angerufen«, erwiderte Jules, »und sie hat gesagt, sie hätte dich nicht gesehen.«
»Sie hat mir erst am Heiligabend erzählt, dass du angerufen hast«, sagte Drew. »Sie wollte nicht, dass ich da hineingezogen werde. Ich könne ohnehin nichts tun, hat sie gesagt. Da bin ich so wütend auf sie geworden, dass ich einfach gegangen und wieder nach London gefahren bin. Ich wollte schon gestern kommen, aber ich dachte, das wäre nicht richtig, nicht am Christtag, und ich weiß ja, dass Pauline mich nur hat schützen wollen, aber trotzdem …«
»Ist schon gut«, sagte Jules.
»Nein, ist es nicht«, widersprach Drew. »Und es ist nicht Paulines Schuld, sondern meine, weil ich wusste, dass du versuchen würdest, mich zu finden; aber ichhatte Angst, mit dir zu reden, und ich weiß nicht, warum ich mich wie ein beschissener Feigling verhalten habe.«
»Ist schon gut«, wiederholte Jules und legte die Arme um ihn. »Jetzt bist du ja hier. Besser spät als nie.«
Er hatte an jenem Abend Angst gehabt, weil Silas so schreckliche Drohungen gegen ihn ausgestoßen hatte, erzählte Drew, während Jules ihm eine Kanne Tee kochte und ihm bewies, dass Olli keinerlei Schaden davongetragen hatte.
»Er hat gesagt, wenn ich ihm Olli nicht gebe, würde er Männer schicken, die mir die Arme und Beine brechen. Außerdem wisse er, wo meine Schwester wohne, und ich solle ja nicht glauben, dass ihre Familie sicher vor ihm wäre.«
»O Gott, Drew …« Wieder war Jules entsetzt. »Es tut mir schrecklich Leid.«
»Warum sollte es dir Leid tun?« Drew putzte sich die Nase. »Ich bin schließlich derjenige, der ihm dein Baby gegeben hat, und ich schäme mich dafür.«
»Es ist meine Schuld«, erklärte Jules. »Ich hätte dich erst gar nicht in diese Situation bringen dürfen.«
»Und dann habe ich gehört, dass er tot ist, und ich wusste nicht, was ich denken sollte.« Er sprach schnell und hastig in dem Versuch, sich reinzuwaschen. »Ein Teil von mir wollte sofort zurück zu dir, doch ein anderer Teil von mir dachte – Gott helfe mir –, dass du ohne ihn besser dran bist, und Pauline hat mir immer wieder gesagt, ich solle warten, bis die Dinge sich ein wenig beruhigt hätten. Ich wusste, dass das falsch war, und wenn du mich nie wiedersehen willst, Jules, kann ich das verstehen.«
»Jetzt bist du ja hier.« Jules schenkte ihm eine zweiteTasse Tee ein, löffelte Zucker hinein und rührte für ihn um. »Hör auf, dich so zu quälen, Drew.«
»Ich habe nicht mehr geschlafen und kaum gegessen, und ich weiß, wie schwach ich bin, und ich weiß, dass du mich hassen musst, was immer du sagst, und ich mache es dir nicht zum Vorwurf.«
»Ich hasse dich kein bisschen«, entgegnete Jules.
»Du bist bloß freundlich«, sagte Drew. »Und wenn du mich feuern willst …«
»Unsinn«, unterbrach ihn Jules. »Besonders jetzt nicht, da ich mehr Freizeit brauche, um bei Olli zu sein und Abigail zu unterstützen.«
»Aber …« Er hielt inne und errötete.
»Aber was?«, fragte Jules.
»Abigail hat es getan«, sagte Drew. »Sie hat deinen Bruder getötet.«
»Weil ihr keine andere Wahl geblieben ist«, erklärte Jules mit fester Stimme. »Und was sie jetzt gebrauchen kann … was wir alle gebrauchen könnten, ist deine Aussage bei der Polizei. Wenn du es durchstehst, dann geh zur Polizei und sag ihnen, Silas habe dich bedroht.«
»Das könnte ich nicht«, sagte er von neuer Angst erfüllt.
»Es könnte Abigails Verteidigung helfen«, sagte Jules.
»Aber bist du sicher, dass du das willst?«, fragte Drew.
»Weil es mein Bruder war, meinst du?« Sie klang sanft.
»Und du hast ihn geliebt«, sagte Drew. »Nicht wahr?«
»Sehr sogar«, erwiderte Jules.
»Wie kannst du dann …« Er verstummte.
»Ich glaube, du solltest warten, bis du alles gehört hast«, sagte Jules und blinzelte die Tränen weg. »Dann wirst du
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