Teuflische List
wahrscheinlich mehr verstehen.«
55.
Es war Michael Morans Idee, nach den Fotos zu suchen.
»Ich weiß nicht, warum mir das nicht schon früher eingefallen ist.«
Es war der 28. Dezember, zwei Tage nach Drews Rückkehr, und Moran war unangekündigt in den Buchladen gekommen, um vorzuschlagen, dass sie gemeinsam in die Edison Road gehen sollten.
»Sie haben um diese Jahreszeit doch sicher viel zu tun«, gab Jules zu bedenken.
»Ob viel zu tun oder nicht«, erwiderte er, »es gibt Dinge, die getan werden müssen.«
Voller Schmerz erzählte er ihr, dass er vergessen hatte, was bei Abigails letztem Besuch geschehen war, bevor er in die Exerzitien gegangen war. Er hatte einen Mann mit Kamera auf der Straße hinter der Kirche bemerkt. Er schien – obwohl Moran nicht sicher sein konnte – Fotos von ihm und Abigail zu machen, und Moran hatte sich damals gefragt, ob der Mann vielleicht Silas sei.
»Nur dass Sie nie etwas davon gesagt haben, dass man Fotos gefunden hätte.«
»Ich weiß nicht, ob überhaupt jemand das Studio durchsucht hat«, erwiderte Jules.
Sie war ein paar Mal dort gewesen, um die Korrespondenz durchzugehen und die Bücher und Papiere den Buchhaltern und Anwälten zu geben, die Silas’ Besitzabwickelten. Dabei war es ihr fast unerträglich gewesen, an diesem Ort zu sein.
»Es liegt mir fern«, fuhr der Priester fort, »Ihren oder Abigails Schmerz zu verschlimmern, aber mir ist der Gedanke gekommen, dass sich dort vielleicht etwas finden lässt, um die Frage zu erhellen, wie es um den Geisteszustand Ihres Bruders bestellt war.«
Das Studio enthüllte mehr, als sie erwartet hatten.
Mehr als Jules ertragen konnte.
Zuerst fanden sie eine Reihe von Fotos in einer der abgeschlossenen Schubladen von Silas’ Schreibtisch. Sie zeigten Charlie Nagy, wie er Abigail neben einem Wagen umarmte.
»Das ist Mr. Nagys Straße, nehme ich an«, sagte Moran zu Jules.
»Kann sein«, sagte sie. »Wahrscheinlich.«
Sie wandte sich dem nächsten Foto zu, und ihr wurde übel.
Ein Mann lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bürgersteig.
»Allmächtiger«, sagte Jules. »Charlie.«
Vater Moran schaute sich das Foto an und blickte Jules dann ins Gesicht.
»Wollen Sie sich setzen?«
Jules schüttelte den Kopf. Sie starrte noch immer auf das Foto und fragte sich, warum Silas so etwas aufbewahrt hatte, wo solche Bilder ihn doch hätten belasten können. War er stolz auf seine Taten gewesen, oder hatte er gewollt, dass man ihn früher oder später erwischt?
Bitte, lieber Gott, lass es die zweite Erklärung sein.
»Es tut mir Leid, Jules«, sagte der Priester. »Das ist nicht fair Ihnen gegenüber.«
»Nichts von alledem ist irgendjemandem gegenüber fair, Vater Michael.«
Er betrachtete ein anderes Foto, das sie in der Schublade gefunden hatten.
»Wissen Sie, wer das ist?«, fragte er.
»Ja«, antwortete Jules mit schwacher Stimme.
Es war Maggie Blume. Sie stand auf einer Straße, die Jules bekannt vorkam.
Es war die Elgin Avenue, da war sie fast sicher. Die Straße, auf der Maggie überfahren worden war.
Ein weiteres Foto beseitigte jeden Zweifel.
Maggie lag auf der Straße, um sich herum eine kleine Menschenmenge.
»Großer Gott«, murmelte Jules.
»Mr. Nagys Schwester?«, erkundigte sich Moran.
Jules nickte.
»Das tut mir sehr Leid.«
»Mir auch«, sagte sie.
Beide schwiegen eine Zeit lang.
Im hinteren Teil der Schublade befand sich ein kleines Plastikalbum mit weiteren Fotos.
Jules streckte die rechte Hand aus, um danach zu greifen, und sah, dass sie zitterte.
»Soll ich?«, fragte Vater Moran.
Sie nickte und beobachtete sein Gesicht, als er die restlichen Bilder überflog. Sie selbst schaute sie nicht an; sie wagte es nicht.
»O Gott«, sagte er leise.
Ein Schauder lief Jules über den Rücken.
Du musst hinsehen.
Der Priester gab ihr rasch die Fotos und wandte den Blick ab.
Sie zeigten jedoch nicht das, was Jules fürchtete.
Das war nicht Ralph.
Sie waren alle von Abigail, wie sie Cello spielte. Alle zeigten Abigail in verschiedenen Stadien ihrer Beziehung. Auf einigen Fotos war sie nackt und lachte; auf anderen spielte sie mit großer Leidenschaft, und das Haar fiel ihr ins Gesicht, und sie hatte die Augen geschlossen. Wieder andere zeigten sie, wie sie den Fotografen voller Wut anstarrte.
Auf einigen spielte sie mit der dicken Sonnenbrille, die sie immer noch trug.
Jules legte die Fotos auf Silas’ Schreibtisch.
»Wir sollten die anderen hier besser zu Philip bringen«,
Weitere Kostenlose Bücher