Teuflische List
Silas.
»Außerdem«, sie sprach langsam, als könne es ihr helfen, dem allen einen Sinn zu entnehmen, »außerdem sollten wir nicht mal daran denken, ausgerechnet hier zu graben.«
Silas schüttelte den Kopf. »Nicht genau hier.« Er schaute auf das Grab und deutete dann auf eine Stelle ein paar Meter entfernt. »Der Teich kommt da drüben hin, in Ordnung?«
Jules antwortete nicht. Nichts war in Ordnung. Ihr Bruder war noch immer verrückt.
»Wir graben den Teich, einen kleinen, hübschen Gartenteich, und legen eine Veranda an. Das wird es bedecken.«
Es, dachte Jules. Unser Vater.
»Da du ja schon alles darüber zu wissen scheinst, wie man einen Teich anlegt«, sagte sie, »weißt du sicher auch, wie man eine Veranda anlegt, oder?« Die Benommenheit wich aus ihrem Kopf, nur war sie nicht sicher, ob sie die geistige Klarheit vorziehen sollte. »Bringt man euch das zwischen den Fotografievorlesungen bei?«
Silas war es nicht gewöhnt, dass seine Schwester ihm mit Sarkasmus begegnete, und es gefiel ihm ganz und gar nicht.
»Ich bin kein Trottel, Jules.« Er wartete darauf, dass sie sagte, natürlich nicht, doch sie schwieg. »Halt jetzt den Mund und hör mir zu.«
»Kann ich dir nicht im Haus zuhören?« Jules breitete die Hände aus, die Handflächen nach oben. »Können wir nicht raus aus dem Regen?«
»In einer Minute.« Silas erklärte ihr weiter seinen Plan. »Und wenn wir den Beton ausgegossen haben, streichen wir ihn glatt und eben«, beendete er seine Ausführungen. »Dann können auch keine Risse entstehen.«
Vor ihrem geistigen Auge sah Jules bereits genau einen solchen Riss. »Wäre es nicht besser, wir lassen alles, wie es ist?« Sie zwang sich, auf das Grab zu blicken. »Jetzt sieht es doch ganz in Ordnung aus.«
»Weil Laub darauf liegt«, erwiderte Silas. »Aber es bleibt nicht immer Herbst.« Er schüttelte den Kopf und beschloss, ihr zu vergeben; schließlich konnte er ihre Sorge verstehen. »Das ist bei weitem nicht sicher genug, Schwesterherz. Man kann nie wissen, wer hier mal schnüffeln kommt. Vielleicht werden wir eines Tages sogar verkaufen, wer weiß?«
»Das können wir nicht«, erwiderte Jules. »Jetzt nicht mehr.«
»Weil unser Vater hier beerdigt ist, meinst du?«, fragte Silas. »Oder weil du Angst hast, dass jemand es herausfinden könnte?«
»Beides.«
»Dass unser Vater hier liegt, daran versuche ich gar nicht erst zu denken«, sagte Silas. »Aber sollten wir eines Tages von hier fortgehen wollen, wären der Teich und eine Terrasse gute Kaufargumente … nicht für jemanden mit kleinen Kindern, versteht sich. So jemand würde den Teich zuschütten oder ihn breiter ausschachten.«
»Und wer sollte ein so großes Haus kaufen, ohne Kinder zu haben?«, fragte Jules.
»Nicht viele junge Paare könnten sich so ein Haus leisten«, sagte Silas. »Wenn, dann eine Familie mit älteren Kindern.«
»Du hast dir wirklich alles genau überlegt, nicht wahr?«
Silas entging nicht, wie Jules ihn anstarrte.
Und es gefiel ihm nicht.
»Ja, bis ins letzte Detail«, antwortete er kalt.
Wenige Wochen später hatten sie tatsächlich einen Teich angelegt. Es war für beide eine Schinderei gewesen, und diesmal hatte Silas seine Schwester gebeten, ihm vomAnfang bis zum Ende zu helfen. Es sei eine Arbeit, die man bei Tageslicht erledige, unter den Augen der Nachbarn, und die nichts Unerlaubtes habe, erklärte Silas. Im Gegenteil; es sei eine Arbeit, auf die man stolz sein könne.
An einem Sonntagnachmittag Mitte Dezember kamen Max und Tina Brook vorbei und zeigten sich beeindruckt von dem, was die Geschwister geleistet hatten.
»Werdet ihr auch Karpfen einsetzen?«, fragte Max Brook.
»Er meint Koi«, fügte Tina hinzu. »Diese großen japanischen Karpfen.«
»Die nur ein wenig teuer sind«, erwiderte Silas.
»Ihr seid sehr tapfer«, bemerkte Tina Brook, als sie später im Wohnzimmer den Kaffee trank, den Jules ihr gekocht hatte. »Dass ihr das alles alleine macht, ist schon toll.«
»Die meisten Hausbesitzer lassen für solche Arbeiten einen Landschaftsgärtner kommen«, sagte ihr Mann.
»Oder wer sonst noch Teiche anlegt«, fügte Tina hinzu.
»Och, das kann jeder«, sagte Silas.
»Aber es hilft, wenn man jung ist«, entgegnete Max und lächelte Jules an, »jung und stark.«
Jules lief rot an.
»Alles in Ordnung, meine Liebe?«, erkundigte Tina sich besorgt.
»Es geht ihr gut«, sagte Silas.
Es war ein schöner Teich. Silas war zu jedem Gartenzentrum gefahren, das er
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