Teuflische List
wunderbarer Vater, kam ihr in den Sinn.
»Was wirst du mit dem Laden machen?«, fragte Silas und löste sich von Jules.
»Mit dem Laden?«, erwiderte sie. »Nichts.«
»Aber du kannst kein Geschäft führen und gleichzeitig Mutter sein.« Er nahm die Hand seiner Schwester und führte sie zur Couch, wo Asali auf einem weichen Kissen lag.
»Natürlich kann ich das«, widersprach ihm Jules. »Besonders jetzt, da ich Drew habe.«
Obwohl Abigail noch immer dann und wann im Laden half, hatte Jules in der Zeit ihrer größten Not beschlossen, einen Vollzeitmitarbeiter einzustellen. Drew Martin, ein freundlicher junger Schwuler, der vor kurzem erst von seinem Partner verlassen worden war und der sich wie eine Glucke um Jules kümmerte, hatte sich als Gottesgeschenk erwiesen.
Silas, der Drew nicht sonderlich mochte, hob eine Augenbraue. »Aber du wirst wenigstens wieder zu uns zurückkommen.«
Jules löste sich von ihm und lächelte. »Nein, Liebling.«
»Aber du musst«, beharrte er. »Du kannst nicht allein bleiben.«
»Das werde ich auch nicht«, erwiderte Jules und legte eine Hand auf den Leib.
Irgendetwas in Silas’ Gesichtsausdruck kühlte merklich ab. »Ja«, sagte er, »das stimmt wohl.«
Abigail runzelte die Stirn.
Silas bemerkte es. »Was ist?«, fragte er knapp.
»Nichts«, antwortete sie.
In jener Nacht liebte er sie mit ungewöhnlicher Leidenschaft.
»Du wirst mich nie verraten, nicht wahr, Abeguile?«
So hatte er sie lange nicht mehr genannt. Und dass er ihr diese Frage zum letzten Mal gestellt hatte, war nochlänger her. So hatte sie fast vergessen, wie verletzlich er sein konnte.
»Niemals«, sagte sie ihm in einer Woge der Liebe.
»Schwöre es«, forderte er sie auf.
»Ich schwöre es dir beim Leben unserer ungeborenen Kinder«, sagte Abigail.
Silas zog sich von ihr zurück und schaute sie hart an. »Du bist doch nicht etwa auch schwanger?«
»Nein«, antwortete sie lächelnd. »Natürlich nicht.« Sie nahm die Pille. Darüber hatten sie schon nach dem ersten Mal geredet und beschlossen, zunächst einmal zu genießen, was sie hatten.
»Gut«, sagte er.
Abigail wurde kalt. »Warum ›gut‹?«, fragte sie.
»Wenn du schwanger wärst«, antwortete Silas, »müsste ich dich teilen.«
Am darauf folgenden Mittwoch, dem ersten im September, aß Abigail mit Jules im Laden zu Mittag. Drew war nicht da; er nahm sich abwechselnd mittwochnachmittags und sonntags frei. Während die beiden Frauen ihre Sandwiches aßen, erzählte Abigail ihrer Schwägerin, was Silas gesagt hatte.
»Das überrascht mich nicht«, sagte Jules.
»Ich dachte, er mag Babys.« Abigail hatte schon bei mehreren Gelegenheiten beobachtet, wie er kleine Kinder angelächelt hatte – mit so viel Wärme, dass ihr Herz jedes Mal einen Sprung gemacht hatte, wenn sie an die Zukunft gedacht hatte.
»So ist es auch«, erwiderte Jules. »Aber wie du weißt, ist er sehr eifersüchtig.«
»Aber er würde doch nie auf sein eigenes Kind eifersüchtig sein, oder?«
»Doch, das könnte ich mir durchaus vorstellen.« Jules sah die Enttäuschung in Abigails Gesicht und empfand Mitleid mit ihr. »Inzwischen musst du doch bemerkt haben, wie Besitz ergreifend er ist. Er liebt dich so sehr, dass er dich mit niemandem teilen will, nicht mal mit einem Baby.«
»Aber das wird sich mit der Zeit sicher ändern«, sagte Abigail. »Er hat doch nicht zu dir gesagt, dass er nie Kinder haben will, oder?«
Die Tür öffnete sich, und eine Frau schüttelte ihren Schirm aus und kam herein.
Jules stand auf, um die Kundin zu begrüßen, blickte kurz zu Abigail zurück und sah die Sorge und die Sehnsucht im Gesicht ihrer Schwägerin.
»Natürlich hat er das nie gesagt«, antwortete sie.
19.
Während Jules’ Schwangerschaft voranschritt, dachte Abigail immer häufiger darüber nach, selbst ein Kind zu haben. Die Gedanken kamen mit einer Dringlichkeit, die sie überraschte. In der Vergangenheit, in der Zeit vor Silas, hatte sie jeden Gedanken an Kinder stets beiseite geschoben, hatte sich selbst dafür verdammt, solche Wünsche zu hegen, und sich gesagt, dass sie keine Kinder verdiene und dass Kinder keine solche Mutter wie sie haben dürften.
Nun aber war sie von Liebe umgeben. Sie beobachtete ihre Schwägerin in jedem Stadium, und die Hoffnung wurde zunehmend real und verwandelte sich in eine Art Hunger. Mit Silas Kinder zu haben wurde für Abigail plötzlich zum Mittelpunkt von allem. Damit wäre die zweite Chance perfekt gewesen, die er ihr
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