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Teuflische List

Teuflische List

Titel: Teuflische List Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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hätte fragen sollen. Ich dachte, das würde dich genauso freuen wie mich.«
    »Offensichtlich bist du nicht immer so sensibel, wie du vorgibst«, sagte Silas.
    Abigail traf die Erkenntnis wie ein Schlag. »Du hast geglaubt, Jules würde dich darum bitten.« Sie schämte sich. »Oje. Tut mir Leid. Ich hätte daran denken sollen.«
    »Nein, hättest du nicht«, entgegnete er kalt. »Juleshätte mich nie gefragt, weil sie weiß, dass ich mich geweigert hätte.«
    »Aber was …?« Verwirrt setzte Abigail sich auf die Couch. »Ich verstehe das nicht. Wie kannst du etwas dagegen haben, dass deine Frau deiner Schwester bei so etwas Wunderbarem hilft? Vor allem nach der Sache mit Ralph?«
    »Um Himmels willen«, rief Silas, »dann spiel halt ihre verdammte Geburtshelferin, wenn es eine so große Sache für dich ist.«
    »Warum bist du so gemein?« Abigails Verwirrung nahm weiter zu.
    »Du weißt, warum«, antwortete Silas.
    Abigail starrte ihn an. »Du kannst doch unmöglich noch immer wütend auf Jules sein, weil sie allein leben wollte.«
    »Als wütend würde ich das nicht bezeichnen«, sagte Silas.
    »Sei nicht so hochnäsig.« Sie konnte es einfach nicht glauben. »Jules ist deine Schwester, und wir sind alles, was ihr jetzt noch bleibt.«
    »Sie wird ihr Kind haben«, erwiderte Silas.
    »Um Himmels willen!« Abigail stand auf, nahm ihre Jacke von der Garderobe und ging zur Tür. »Werde endlich erwachsen, Silas.«
    Ihre herbe Enttäuschung über Silas, der Schmerz, mit ihm zu streiten, wo sie ihn so sehr liebte, und die Angst, ihr Widerstand könnte ihre Ehe beschädigen – das alles rief Unruhe in Abigail hervor und zerstörte den Frieden, den sie sich so hart erkämpft hatte.
    Sie übte nun regelmäßiger im Musikzimmer, und die alten Erinnerungen suchten sie wieder heim: Immer wieder sah sie den Hof von Allen’s Farm vor ihrem geistigen Auge, hörte das Brüllen des Motorrads, vernahm die Schreie, sah den Regen aus Schlamm und Blut.
    Sie zog den Bogen viel zu fest über die Cellosaiten, und ihr Haar schlug ihr wild ins Gesicht. Sie machte mehr Lärm als Musik. Dann stellte sie sich vor, wie ihre Mutter sie dafür tadelte, und sofort hörte sie auf, das Instrument zu malträtieren. Sie drückte es an sich, wiegte es in ihren Armen und erinnerte sich daran, wie sehr sie es liebte, lieben musste, um Francescas willen.
    Dabei war Abigail sich durchaus bewusst, dass sie in solchen Zeiten vollkommen auf ihre Mutter fixiert war. Die Reue, die sie empfand, die Schuld, die Buße, alles drehte sich um Francesca, obwohl sie auch ihren Vater und Eddie getötet hatte – und dann hatte sie Eddie auch noch die Verantwortung für die Todesfälle in die Schuhe geschoben.
    Doch jedes Mal schob sie diese Gedanken rasch beiseite, schob ihre Opfer beiseite, drängte sie weit in ihren Hinterkopf zurück und mauerte sie ein, denn sie kam einfach nicht damit zurecht.
    Es reichte ihr schon, ihre Mutter ertragen zu müssen.
    An einem Nachmittag in der dritten Novemberwoche ging Abigail mit ihrer Schwägerin Babysachen einkaufen, als Jules – die sich bewusst war, dass Abigail die sporadische Arbeit im Buchladen und im Studio nicht ausfüllte – ihr vorschlug, ein Taxi zu rufen und zu Charlie Nagy in Bayswater zu fahren.
    »Vielleicht ist er nicht da«, sagte Abigail.
    »Dann ruf ihn an«, erwiderte Jules.
    »Ich kann dich doch nicht einfach so hier stehen lassen.«
    »Das ist schon in Ordnung«, versicherte ihr Jules. »Ich gehe wieder nach Hause. Für heute reicht’s mir.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Lass mich dir helfen«, sagte Abigail. Jules war immerhin schon im siebten Monat. »Du bist viel zu müde, um noch all die Taschen zu schleppen.«
    »Dann nimm du sie.« Jules grinste. »Und ich mach während der Fahrt ein Nickerchen.« Sie klopfte auf ihren dicken Bauch. »Noch so ein Vorteil mit dem kleinen Kerl hier«, sagte sie. »Er ist die reinste Sitzplatzgarantie.«
    Die Geschäftsräume von Nagy Artists unmittelbar am Queensway bestanden aus einem großen Zimmer im Obergeschoss eines alten Gebäudes mit leicht schrägem Boden, Holzbalken unter der Decke, zwei Schreibtischen – einer für Nagy, der andere für seinen Teilzeitassistenten Toby Fry – und einem alten, rissigen braunen Ledersofa. Eingerahmte Fotos, Poster und Programme bedeckten die Wände, und die Luft roch nach Kaffee und den kleinen Zigarillos, die der zweiunddreißigjährige Nagy so gern rauchte.
    Nagy war allein im Büro und versuchte erst gar nicht,

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