Teuflische List
gegeben hatte. Nur dass er nach wie vor nichts davon wissen wollte. Er wurde gereizt, manchmal sogar wütend, wenn sie ihn darauf ansprach.
Geduld, ermahnte sie sich.
Doch manchmal konnte sie einfach nicht widerstehen und drängte ihn ein wenig weiter.
»Du freust dich doch darauf, Onkel zu werden, oder?«, fragte sie eines Nachmittags Mitte Oktober. Sie waren im Studio in der Edison Road, wo Silas gerade die Umsatzsteuervoranmeldung für das dritte Quartal machte.
»Natürlich«, antwortete er.
»Du betrachtest deinen Neffen doch nicht als Bedrohung?«
»Wie kommst du denn darauf?«, erwiderte er in scharfem Ton.
»Weil du gesagt hast, du wolltest mich nicht teilen.«
»Von ›Bedrohung‹ habe ich aber nichts gesagt.«
»Vielleicht ist es das falsche Wort.« Abigail hielt kurz inne. »Aber Jules glaubt, du könntest das Gefühl haben, dass ein Baby mich dir irgendwie wegnehmen würde.«
»Hör nicht auf Jules«, sagte Silas. »Sie hatte schon immer seltsame Ideen.«
»Du vergötterst Jules.«
»Tue ich das?«
Abigail runzelte die Stirn. »Ist es denn nicht so?«
»Jules hat mich im Stich gelassen«, erklärte Silas. »Jetzt vertraue ich nur noch dir.«
Dieses Gespräch beunruhigte Abigail.
Es war nicht das erste Mal, dass sie so empfand. Wäre so etwas möglich gewesen – ihrem Mann hätte es wohl nichts ausgemacht, sie vom Rest der Welt zu isolieren. Nachdem er sie ermutigt hatte, das Engagement in Deauville anzunehmen, war er immer ablehnender geworden, was die Jobs betraf, die Charlie ihr anbot. Sie seien keine ausreichende Herausforderung, sagte er, und würden sie nicht weiterbringen.
Trotzdem war Abigail noch immer weit zufriedener in ihrer Ehe, als sie sich je erträumt hatte. Deshalb verspürte sie kein allzu großes Verlangen, viel Zeit mit anderen Leuten zu verbringen, aber sie hatte gehofft, zumindest Jules nun so oft wie möglich zu sehen. Deshalb hattesie ja den Führerschein gemacht; sie wollte mit dem Mini mobil sein. Doch Silas war ein wenig kleinlich, wenn es darum ging, dass sie seine Schwester besuchen wollte.
»Jules und Drew machen nächste Woche Inventur«, hatte Abigail vor ein paar Wochen beiläufig erwähnt, als sie nach einem abendlichen Restaurantbesuch nach Hause gefahren waren, »und ich habe versprochen, ihnen zu helfen.«
»Blöde Idee«, hatte Silas gesagt.
»Es würde mir aber gefallen.« Abigail blickte zum Fenster hinaus in die Dunkelheit.
»Ich habe mir gedacht«, fuhr Silas unbeirrt fort, als hätte Abigail gar nichts gesagt, »du solltest die Arbeit im Laden ganz drangeben, nun, da Jules ihren Martin hat.« Er verwendete Drews Vornamen selten, doch diesmal tat er es.
»Warum sollte ich?« Abigail drehte sich erstaunt zu ihm um.
»Für Verwandte zu arbeiten ist niemals gut«, sagte Silas.
»Ich arbeite doch auch für dich im Studio.«
»Das ist was anderes.«
»Finde ich nicht.«
»Ich dachte«, sagte Silas, und seine Stimme war plötzlich kalt, »es würde dir reichen, für mich zu arbeiten, während du auf das richtige Engagement wartest. Aber wenn dem nicht so ist … warum fängst du nicht an, Musikunterricht zu erteilen?«
»Dafür bin ich nicht qualifiziert.« Verwundert dachte sie an die Jobs, die anzunehmen Silas sie entmutigt hatte. »Außerdem gibt es deiner eigenen Aussage zufolge doch keine ›richtigen‹ Engagements.«
»Natürlich bist du für den Unterricht qualifiziert. Du hast ein Konservatorium besucht.«
»Aber ich habe keine Didaktik studiert.«
»Ich wette, das ist den durchschnittlichen Eltern hier in der Gegend völlig egal. Du hast doch das Musikzimmer … Das wäre perfekt dafür.«
»Ich will aber keinen Unterricht geben«, erwiderte Abigail gereizt. »Ich will weiter bei Jules’ Books arbeiten.«
»Wenn es dir so sehr gefällt«, sagte Silas mit eisiger Stimme. »Dann musst du es tun.«
»Das werde ich auch«, erklärte Abigail.
Als Jules an einem Morgen Ende Oktober Abigail anrief, um sie zu fragen, ob ihre Schwägerin sie zur wöchentlichen Schwangerschaftsgymnastik im Krankenhaus begleiten wolle, um ihr dann später auch bei der Geburt zu helfen, antwortete Abigail tief gerührt und ohne zu zögern, dass es ihr eine Ehre wäre.
»Wie hast du nur zusagen können, ohne mich vorher zu fragen?« Silas saß an seinem Schreibtisch im Studio, als sie ihm die Neuigkeit mitteilte.
Abigail, die gerade erst ihre Regenjacke in die Garderobe hängte, schaute ihn überrascht an. »Ich wüsste nicht, warum ich dich
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