Teuflische List
seine Freude über Abigails Besuch zu verbergen. Er umarmte sie zur Begrüßung und setzte sofort eine frische Kanne Kaffee auf.
»Ich weiß, dass ich in letzter Zeit ein paar Angebote abgelehnt habe«, sagte Abigail. Sie saß auf der Couch, einem Foto gegenüber, das sie inmitten anderer Musiker auf der Bühne der Wigmore Hall zeigte.
»Es waren mehr als nur ein paar Angebote«, entgegnete Charlie.
Abigail errötete und spielte an einem Riss im Leder herum. »Ich weiß«, sagte sie, »und es tut mir Leid.«
»Schon gut«, erwiderte Charlie.
Er goss den Kaffee in zwei Becher, gab Milch hinzu, reichte Abigail ihren Becher und setzte sich aufs andere Ende der Couch.
»Also«, sagte er, »was gibt’s?«
Abigail musterte ihn einen Augenblick lang. Er besaß ein rundliches Gesicht, einen kleinen, ordentlich gestutzten Bart, lockiges dunkles Haar und braune, leicht schräg stehende Augen. Er trug die Art von Kleidung, wie er sie meistens bevorzugte: gestärktes weißes Hemd, bunte Weste und Jeans.
»Die Sache ist die«, sagte Nagy. »Bist du dir überhaupt sicher, dass du arbeiten willst?«
»Sehr sicher sogar«, antwortete Abigail.
»Ich dachte nur …« Er hielt inne.
»Du dachtest was?«, fragte sie.
Er fummelte an seiner linken Manschette herum. »Nichts.« Er lächelte. »Ich habe wohl einen falschen Eindruck gehabt. Natürlich werde ich gern die Augen für dich offen halten.«
»Danke.« Abigail hielt kurz inne. »Wovon hast du einen falschen Eindruck gehabt?«
Nagy schüttelte den Kopf. »Egal«, antwortete er. »Wie geht es Silas?«
»Es geht ihm gut.« Abigail war sich der plötzlichen Peinlichkeit durchaus bewusst. Sie runzelte die Stirn. »Hat er dich wieder besucht?«
»Nein.« Nagy beugte sich über den Kaffeetisch und nahm sich eine Panatela.
»Bist du sicher?«, hakte Abigail nach.
Nagy fischte sein Feuerzeug aus der Hosentasche.
»Warum sollte ich mir da nicht sicher sein?«, entgegnete er.
Abigail sprach das Thema noch am selben Abend an, während sie die Sauce Bolognese für die Spaghetti abschmeckte und Silas den Salat zubereitete.
»Hast du Charlie in letzter Zeit gesehen?«, fragte sie so beiläufig sie konnte.
»Charlie Nagy?« Silas hatte den Eisbergsalat bereits gewaschen; dennoch inspizierte er noch einmal jedes einzelne Blatt im Sieb. »Warum fragst du?«
»Ich bin nur neugierig«, antwortete Abigail und probierte die Soße.
»Dann kann ich wohl davon ausgehen, dass du ihn gesehen hast, hm?«
Er antwortete oft auf Fragen mit Gegenfragen und trieb Abigail auf diese Weise in die Defensive, obwohl es vermutlich dumm war, so zu denken. Trotzdem erklärte sie ihm nun, wie sie bei Peter Jones gewesen war und wie Jules sie gedrängt hatte, die Gelegenheit zu nutzen und einmal bei Charlie vorbeizuschauen, und dann wartete sie darauf, dass er sie fragte, warum sie ihm nicht erzählt hatte, dass sie bei Nagy gewesen war.
»Um die Ecke liegt das ja nicht gerade«, lautete Silas’ ganzer Kommentar.
»Es war näher als hier oder Crouch End«, sagte Abigail und gab schwarzen Pfeffer in die Soße.
»Und? Gibt es was Neues an der Arbeitsfront?«, erkundigte sich Silas.
»Im Augenblick nicht.« Abigail rührte wieder in der Soße und legte dann den Holzlöffel quer über die Pfanne. »Ehrlich gesagt, war er ein wenig seltsam, als ich ihn danach gefragt habe.«
»Wie das?« Silas’ Blicke zuckten in Abigails Richtung, bevor er sich wieder der Spüle zuwandte, das Sieb ausschüttelte und den Salat in eine große Keramikschüssel kippte. »Die Soße riecht gut.«
»Sie ist fast fertig«, sagte Abigail.
Silas nahm Olivenöl, Balsamico und Senf vom Regal und begann mit dem Dressing. »Ich wünschte, du wärst nicht zu Nagy gegangen.«
»Warum nicht?«
»Weil …«, er benutzte eine Gabel als Schneebesen, »… um ehrlich zu sein, haben er und ich in letzter Zeit ein paar Gespräche geführt, und weil … eigentlich will ich dir das gar nicht sagen … weil wir beide an etwas gearbeitet haben, das für dich ist.«
»Und was ist das?«
»Eine Art Plan.« Silas probierte sein Dressing. »Allerdings ist es noch zu früh, darüber zu sprechen.«
»Aber es betrifft meine Arbeit, ja?«, sagte Abigail.
»Es soll eine Überraschung sein, Liebling«, erwiderte Silas. »Versuch gar nicht erst, es mir oder Nagy aus der Nase zu ziehen. Wir werden es dir nicht sagen. Üb einfach weiter.«
»Was …«, ihr Kiefer fühlte sich verspannt an. »Was soll ich denn üben?«
»Erst mal das
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