Teuflische List
Tür blieb Abigail kurz stehen. »Danke.«
»Wofür?«
»Dass du mich selbst gehen lässt. Dass du dich daran erinnerst, dass ich erwachsen bin.«
»Ich sehe ja, dass du es kannst«, sagte Jules.
»Mit einem Stock käme ich natürlich besser voran, aber Silas sagt, ich bräuchte keinen, weil ich ja ihn habe.« Abigail hielt kurz inne. »Ich fürchte, ich werde dich jetzt bitten müssen, dich um mich zu kümmern.«
»Kein Problem«, sagte Jules. »So schwer ist das ja nicht.«
Sie ging hinter Abigail bis zur Gästetoilette neben der Küche. Olli wand sich protestierend auf ihrem Arm.
»Warte. Ich setze ihn eben ab.« Das tat sie auch. »Und hier …« Sie holte etwas aus ihrer Tasche. »Hier ist, was du benötigst. Sofort gebrauchsfertig.« Sie griff nach Abigails Hand. »Das ist das richtige Ende, okay?«
»Okay«, sagte Abigail angespannt.
Dann ging sie in die Toilette und schloss die Tür.
»Sag es mir«, forderte sie ihre Schwägerin anschließend auf.
Jules nahm ihr den Streifen ab und schaute ihn sich an.
»Positiv«, verkündete sie leise.
»Oh«, sagte Abigail.
»Willst du dich setzen?«, fragte Jules.
»Ich glaube«, antwortete Abigail, »ich will einen Drink.«
»Das ist jetzt aber nicht vorschriftsmäßig«, sagte Jules.
»Nein«, sagte Abigail.
Sie hatte sich auf dem Klo Zeit gelassen und sich gestählt. Im Laufe der letzten paar Tage und Nächte war sie bereits zu dem Schluss gekommen, dass es alles verändern würde, sollte sie Recht behalten – und die Chancen dafür standen gut. Nachdem Silas ihr den Entwickler in die Augen geschüttet hatte, hatte sie die Pille nicht mehr genommen; dennoch hatte sie zunächst das Ausbleiben ihrer Tage und die Übelkeit dem Stress zugeschrieben.
Babys verändern immer alles.
In meinem Fall sogar mehr als üblich, dachte sie ironisch. Logischerweise veränderte sich nun ihr Blick auf alles – einschließlich Silas.
Besonders auf Silas.
»Jules«, sagte sie jetzt. »Könntest du bitte im Studio anrufen?«
Sie waren wieder im Wohnzimmer und tranken Tee, während Olli im Laufstall saß und am linken Ohr eines blauen Plüschhasen kaute.
»Willst du es ihm sagen?«, fragte Jules.
»Nein«, antwortete Abigail in scharfem Tonfall. »Ich will nur sichergehen, dass er noch immer dort ist.«
Jules fragte nicht nach einer Erklärung, sondern ging zum Telefon.
»Ich wollte dich nur beruhigen«, sagte sie ihremBruder. »Uns beiden geht es gut, und du brauchst dich nicht zu beeilen. Ich kann uns etwas zu essen kochen, und dann …«
»Was macht ihr beiden überhaupt?«, unterbrach Silas sie in lockerem Tonfall.
»Nichts Besonderes«, antwortete Jules. »›Frauengespräche‹, wie du es genannt hast.«
»Sag ihm …«, Abigail hob die Stimme, sodass er sie hören konnte, »… dass er aufhören soll, sich um mich Sorgen zu machen, und dass er sich Zeit lassen soll.«
»Abigail sagt …«
»Ich hab’s gehört«, unterbrach Silas sie erneut. »Musst du nicht zurück in den Laden?«
»Noch lange nicht«, antwortete Jules. »Erledige du erst mal deine Arbeit, und genieß deine Zeit.«
»Das werde ich«, sagte Silas. »Danke, Schwesterherz. Bis später.«
Jules beendete das Gespräch. »Er schien keine Probleme damit zu haben«, sagte sie.
»Wirklich?«, erwiderte Abigail skeptisch. »Vielleicht will er uns auch nur auf die Probe stellen.«
Jules runzelte die Stirn und blickte zu Olli, der seinen Hasen weggeworfen hatte und nun mit seinen Bauklötzen spielte; dann schaute sie wieder zu Abigail. »Was meinst du damit?«
»Mich«, antwortete Abigail. »Er stellt mich auf die Probe.«
»Ich verstehe nicht …«, sagte Jules.
»Ja«, erwiderte Abigail. »Wahrscheinlich nicht.«
Zwar waren Abigails Augen hinter der dunklen Brille so gut wie unsichtbar, doch Jules entging nicht, wie blass ihre Schwägerin mit einem Mal geworden war. »Was ist, Liebes?«
Abigail atmete zitternd ein und aus.
»Sag es mir.« Jules kam zum Sofa und setzte sich neben sie. »Bitte.«
»Ich bin schwanger, nicht wahr?«
»Sieht so aus«, antwortete Jules.
»Ich habe mir gesagt«, fuhr Abigail fort, »sollte das so sein, dann hieße das …«
Jules wartete ein paar Sekunden. »Was?«
»Dann hieße das, dass mir keine andere Wahl mehr bliebe, als es dir zu erzählen.«
Jules schwieg.
Sie hatte ein unglaublich schlechtes Gefühl.
Sie blickte zur Frau ihres Bruders und wartete.
41.
Sie begann mit dem, was plötzlich das Wichtigste war.
Mit ihrem Baby.
»Falls
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