Teuflische Schwester
Schlafanzug.
Danach legte sie sich auf das Bett, streckte die Füße aus
und schnallte sich die Lederschlaufen um die Knöchel.
Zum Schluß fesselte sie mit der rechten Hand die linke
an die Schlaufe am Kopfende. Um die verbleibende
Schlaufe, die sie nicht mehr anbringen konnte, schloß sie
ganz fest die Faust und legte sich zurück. Einmal mehr
wollte sie Melissas Strafe auf sich nehmen.
Ohne es zu merken, kaute Tom Mallory beim Studieren
von Coras Vermißtenanzeige an seinem Bleistift herum.
Schließlich warf er den Bleistift auf den Tisch und sah zu
Cora hinüber, die nervös auf ihrem Stuhl hin und her
rutschte. »Na ja«, sagte er zögernd. »Bei jedem anderen
würde ich erst einmal vorschlagen, daß wir noch einen
Tag abwarten, aber in Todds Fall … Wie soll ich sagen?«
Mit einem Seufzer lehnte er sich zurück und faltete die
Hände über dem Bauch. »Ich muß Ihnen zustimmen. Todd
hat in seinem ganzen Leben noch keinen Ärger gemacht.
Als Dreikäsehoch war er schon reifer als mancher
Erwachsene.«
Zum erstenmal seit Todds Verschwinden ebbte die
Spannung in Cora etwas ab. »Dann wollen Sie also nach
ihm suchen?« fragte sie ängstlich.
Mallory nickte. »Ich lass’ das Bild vervielfältigen.
Meine Jungs werden sich umsehen.« Er deutete auf ein
Foto, das Cora mitgebracht hatte. Es zeigte den selig
strahlenden Todd mit einer Baseballmütze auf dem Kopf.
Tom Mallory hatte sie ihm letzten Sommer geschenkt.
»Mir will einfach nicht in den Kopf, daß auch nur ein
Mensch Todd etwas antun könnte«, murmelte Tom und
schüttelte traurig den Kopf. »Der Junge ist doch überall
beliebt.«
Cora nickte. »Das ist es ja, was ich nicht verstehen kann.
Als ich gestern in die Stadt gefahren bin, hat er wie immer
gearbeitet. Und als ich zurückkam, war er spurlos
verschwunden.«
»Was ist mit seinem Hund? Ist er wieder aufgetaucht?«
»Nein. Aber das ist etwas anderes. Hunde laufen immer
wieder mal weg.«
»Tja, als erstes schicke ich mal ein paar Leute in die
Wälder um die Bucht herum. Vielleicht hat Todd dort
nach dem Hund gesucht und einen Unfall gehabt. Er
könnte in den Klippen herumgeklettert sein …« Er redete
nicht weiter, denn aus Coras sonst gesund aussehendem
Gesicht war plötzlich jede Farbe gewichen.
»Das hätte er nie getan«, rief sie. »Er weiß ja, wie
gefährlich es dort ist. Er …«
»Nur die Ruhe, Mrs. Peterson. Ich habe ja nicht gesagt,
daß ihm etwas zugestoßen ist. Aber im Moment können
wir nur hoffen, daß er irgendwo reingefallen ist und sich
ein Bein gebrochen hat. Und dann finden wir ihn auf alle
Fälle.«
Cora war jedoch immer noch nicht überzeugt. Sie
rutschte wieder nervös auf ihrem Stuhl herum. Etwas hatte
sie in ihrer Anzeige nicht erwähnt. Auch Tom Mallory
gegenüber hatte sie es bislang verschwiegen. Aber seit
gestern spukte es in ihrem Kopf herum. Die ganze Nacht,
als sie schlaflos auf ihrem Bett gelegen hatte, war ihr Teri
MacIver nicht aus dem Sinn gegangen. Andererseits hatte
sie Hemmungen, die Tochter ihres Dienstherren
anzuschwärzen.
Mallory, der ihr Unbehagen spürte, beugte sich vor.
»Gibt es noch etwas, Mrs. Peterson?«
Cora holte fest entschlossen Luft. »Eigentlich ja«, gab
sie zu. »Ich komme Ihnen wirklich sehr ungern damit …
Es … es hat mit Teri zu tun, Teri MacIver.«
Mallory nickte. »Hübsches junges Ding. Sieht genauso
aus wie ihre Mutter.«
»Aber vom Wesen ist sie gewiß nicht wie ihre Mutter«,
warf Cora bissig ein. Jetzt da sie das Thema endlich
angeschnitten hatte, sprudelten die Worte geradezu aus
ihrem Mund hervor. »Seit ihrer Ankunft ist absolut nichts
mehr beim alten geblieben. O ja, sie tut honigsüß, wenn
jemand in der Nähe ist. Tut, als wäre sie Melissas beste
Freundin und so. Aber ich glaube ihr nicht. Und Blackie
hat ihr auch nicht getraut.«
»Blackie?«
Cora nickte aufgeregt. »Sie war gerade erst
angekommen, da ist er schon vor ihr zurückgewichen. Ja,
ja, sie hat versucht, sich mit ihm anzufreunden, aber er hat
nur immer geknurrt. Ein Hund durchschaut die Leute,
wissen Sie. Wenn ein Hund einen nicht mag …« Sie
unterbrach sich mitten im Satz, denn sie merkte, daß sie
drauflosplapperte. »Wie dem auch sei, Todd hat gesehen,
wie sie Blackie einmal einen Fußtritt gegeben hat. Und
seit ihrer Ankunft sind Melissas Probleme von Tag zu Tag
schlimmer geworden. Sie hat ständig Alpträume,
schlafwandelt …« Sie schüttelte den Kopf und schnalzte
dazu mitleidig mit der Zunge.
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