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Teuflische Schwester

Teuflische Schwester

Titel: Teuflische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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bürsten. Beim
Anblick von Todds Toilettenset mit seinen Initialen, das
sie ihm letztes Weihnachten geschenkt hatte, stieg ihr ein
Schluchzen in die Kehle.
    Nein, das kann ich mir jetzt nicht leisten, hielt sie sich
vor. Sie bürstete sich kurz das Haar und wusch sich eilig
das Gesicht. Das kalte Wasser war eine Wohltat. Sie holte
tief Luft. In der letzten halben Stunde hatte sie gegen die
Wirkung des ihr von Doktor Chandler verabreichten
Beruhigungsmittels angekämpft und dabei gegrübelt. Je
mehr sie darüber nachdachte, desto fester wurde ihre
Überzeugung, daß etwas nicht stimmte.
    Ein ums andere Mal hatte sie sich Melissa als Todds
Mörderin vorzustellen versucht. Sie konnte einfach nicht
daran glauben.
    Noch hatte sie Todd nicht gesehen. Jemand hatte sie
fortgeführt, unmittelbar nachdem Tom Mallory ihr von
seiner Entdeckung unter den Dielen berichtet hatte. Aber
jetzt war ihr klar, daß sie ihn sehen mußte, egal wieviel
Schmerzen es ihr bereiten würde.
Sie mußte sehen, was ihm angetan worden war, mußte
die Wunden mit eigenen Augen sehen.
    Mußte sich ein Bild davon machen, ob Melissa zu einer
solchen Tat fähig war.
Sie stieg die Treppe hinunter. Elsie Conners hetzte ihr
nach. »Cora? Wohin gehst du? Du sollst doch nicht …«
»Ich will meinen Enkel sehen, Elsie.«
Elsie schnappte nach Luft, doch ein Blick von Cora
brachte sie zum Schweigen. »Streit nicht mit mir, Elsie
Conners. Ich weiß genau, was ich tue. Und ich darf nicht
nur an Todd denken. Es gibt auch noch Melissa.«
»Melissa?« schrie Elsie mit vor Empörung bebender
Stimme. »Cora Peterson, hast du den Verstand verloren?
Melissa Holloway hat Todd umgebracht! Wie kannst du
dir da Sorgen um sie machen? Wenn ich an deiner
Stelle…«
»Du bist aber nicht an meiner Stelle«, schnappte Cora.
»Und vielen Dank auch für deine Hilfe.«
Sie stieß die Haustür auf. Wieder stand das Bild von der
letzten Nacht vor ihren Augen. Sie blieb abrupt stehen.
Melissa war schlafgewandelt.
War in der Nähe des …
Des Schuppens gewesen?
Möglich war es. Sie kaute nachdenklich auf ihrer
Unterlippe. Woran konnte sie sich noch erinnern?
Melissa hatte ihren Morgenrock getragen.
Einen weißen Frotteemantel.
Und darauf waren keine Blutflecken gewesen.
Vorhin erst hatte Melissa das weiße Kleid vom
Dachboden angehabt. Und das war blutbefleckt gewesen.
Sie atmete tief durch, dann wagte sie sich hinaus zu den
in Trauben herumstehenden Leuten auf dem Rasen.
Beileidsbekundungen wurden gemurmelt, doch sie blieb
nicht stehen, nahm sie nicht entgegen, sondern hastete
wortlos weiter. Die Zeit kam ihr wie eine Ewigkeit vor,
doch es konnte keine halbe Minute gedauert haben, bis sie
vor dem Schuppen ankam.
Man hatte dort eine Bahre abgestellt. Vier Männer
trugen gerade Todds Leiche heraus. Sie war mit einer
Plastikplane zugedeckt. Coras Entschluß kam für einen
Augenblick ins Wanken. Dann gab sie sich einen Ruck
und trat näher heran. Hinter den vier Männern, die Todd
jetzt auf die Bahre legten, kam Tom Mallory aus dem
Schuppen. Er blieb überrascht stehen.
»Cora, Sie sollten wirklich nicht …«
»Ich will ihn sehen, Tom«, erklärte Cora mit fester
Stimme. »Ich will meinen Enkel sehen.«
Mallory trat von einem Fuß auf den anderen. »Das
müssen Sie sich doch nun wirklich nicht antun, Cora.«
»Ich habe meine Gründe, Tom. Ich will ihn sehen.«
Tom sah die alte Frau forschend an. Spuren von Hysterie
waren nicht zu erkennen. Sie sah ihm mit stetem Blick in
die Augen, und er spürte die Entschlossenheit, die von ihr
ausging. »Na gut«, sagte er ruhig und nickte dem Mann
am Kopfende der Bahre zu.
Der Sanitäter schlug die Plane zurück. Der Schreck über
die gebrochene Nase und den gespaltenen Schädel ging
Cora durch Mark und Bein. Einmal mehr erlangte sie
wieder die Selbstbeherrschung. »Danke«, flüsterte sie und
wandte den Blick schnell ab. Der Mann deckte die Leiche
wieder zu.
»Wie ist es geschehen, Tom?«
»Cora, das müssen Sie sich nicht zumut …«
»Sagen Sie’s mir, Tom.«
Mallory seufzte, doch er zog sein Notizbüchlein aus der
Brusttasche und blätterte es hastig durch. »Natürlich wird
es eine Autopsie geben, aber es sieht ganz danach aus, daß
er zuerst einen Schlag auf den Kopf bekam. Dabei wurde
seine Nase gebrochen, und er verlor sehr viel Blut. Das
wäre aber nicht möglich gewesen, wenn er schon tot
gewesen wäre. Vermutlich blieb er eine Weile bewußtlos
auf dem Boden liegen. Dann wurde der Kopf mit

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