Teuflische Schwester
neun Uhr morgens waren
sämtliche Tennisplätze wie leergefegt. Die wenigen, die
sich an die Sonne wagten, drängten sich an den knappen
schattigen Plätzchen unter den Sonnenschirmen beim
Swimmingpool. Zur Mittagszeit wurde Tag für Tag das
Büffet bereitgestellt, aber mit zunehmender Dauer der
Hitzewelle zogen immer mehr Leute ihre kühlen,
abgedunkelten Häuser vor, und das Essen blieb
unangetastet. Erst am späten Nachmittag rafften die
Clubmitglieder sich auf und schworen einander bei einem
Long-drink feierlich, daß das Klima sich verändere und
Maine sich im nächsten Jahr in Miami verwandelt haben
würde.
Aber jetzt, zu Monatsende, hatte die Hitze endlich
nachgelassen. An diesem Samstag konnte man mit Fug
und Recht von Prachtwetter sprechen. Der Himmel war
klar. Wie eine tiefblaue Kuppel wölbte er sich über der
Bucht und schien sie vom Rest der Welt abzusondern.
Selbst die hohe Luftfeuchtigkeit hatte sich einen Tag
freigenommen. Vom Meer wehte eine erfrischende Brise
herein.
Selbst die Erinnerung an Melissa Holloways Tragödie
verblaßte. Sie mochte das Hauptereignis dieses Sommers
gewesen sein, aber in späteren Jahren würde man sich nur
noch beiläufig darin erinnern.
Die Barnstables waren nicht mehr da. Eine Woche nach
der Beerdigung hatten sie das Haus zum Verkauf
angeboten. Paula hatte darauf bestanden. Obwohl sich
damit erstmals seit drei Generationen ›Außenseiter‹ in den
Ort einkaufen konnten, hatte sich noch kein Interessent
gefunden. Es hieß, daß man das Haus jetzt in ein
Heimatmuseum verwandeln wollte.
»Wer würde es auch kaufen wollen«, hatte Lenore Van
Arsdale Eleanor Stevens kürzlich gefragt. »Jedermann an
der Ostküste weiß schließlich, daß wir mit unserer Inzucht
nicht mehr weit von der Degeneration weg sind. Wir sind
eben ein Anachronismus.«
»Ganz so degeneriert können wir nicht sein, wenn wir
noch solche Wörter in den Mund nehmen«, hatte Eleanor
gemeint, dazu jedoch resigniert aufgeseufzt.
»Wahrscheinlich hast du ja recht. Wer würde jetzt noch
hierherkommen und sich unsere Erinnerungen an die
guten alten Zeiten von vor drei Generationen anhören
wollen?«
Kay Fielding hatte hohl gegluckst. »Ich höre schon, was
sie in fünfzig Jahren über die Neuen sagen werden: ›Ach
die sind’s! Sie haben in dem Jahr, in dem die schreckliche
Sache mit Melissa Holloway passierte, das Haus der
Barnstables gekauft. Nächstes Jahr nehmen wir sie
vielleicht in den Club auf.‹«
Sie hatten alle gedämpft über diesen Scherz gelacht,
doch insgeheim hatte jede sich den Ernst der Situation
eingestanden und mit dem Gedanken gespielt, den Urlaub
im nächsten Jahr woanders zu verbringen. Dieses Jahr
hatte es einen Riß im Gewebe ihres Lebens gegeben.
Anstatt ihn auszubessern, hatten sie sich lieber überlegt,
wie sie etwas Neues anfangen könnten.
Allmählich war aber ihr normales Lebensgefühl
zurückgekehrt. Und heute knisterte es im ganzen Ort vor
Spannung auf den Ball. Ein Lieferwagen nach dem
anderen war mit Blumen vor dem Clubhaus eingetroffen.
Die Türen blieben den Einheimischen verschlossen, die
Vorhänge waren zugezogen. Das Thema des Balls war
trotz tausend Fragen und Anfechtungen das gutgehütete
Geheimnis des Organisationskomitees.
Früh am Morgen war ein Sattelschlepper eingetroffen.
Ein Firmenname war nirgends auszumachen. Seine
Besatzung hatte den ganzen Tag im Club geschuftet, doch
keiner hatte sich eine Andeutung entlocken lassen.
Teri lag mit Brett Van Arsdale und einigen Freunden am
Swimmingpool und rätselte gemeinsam mit ihnen über das
Thema des Balls. Sie blickte einmal mehr zum
Sattelschlepper, der immer noch vor dem Clubhaus stand,
und stöhnte entnervt auf. »Hat deine Mutter denn
überhaupt nichts gesagt?« fragte sie Brett schon zum xtenmal. »Ich meine, was will sie anziehen?«
»Woher soll ich das wissen.« Brett wandte sich erst gar
nicht zu ihr um. »Warum fragst du nicht Phyllis?«
Teri verdrehte die Augen. »Das hab’ ich doch! Jeden
Tag in den letzten vier Wochen! Aber sie läßt nichts raus.
Sogar über die Farbe ihres Kleids will sie mir nichts
verraten. Sie hat mir nur gesagt, ich brauche mich nach
niemandem zu richten.«
Brett lachte auf. »Wetten, daß sie das Melissa nie gesagt
hätte?«
Teri setzte ein ernstes Gesicht auf. »Das ist wirklich
nicht nett. Melissa kann doch nichts dafür, daß sie
durchgedreht hat.« Seit Melissa fortgebracht worden war,
hatte sie sie lautstark
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