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Teuflische Schwester

Teuflische Schwester

Titel: Teuflische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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warmen,
weichen Armen. Sie ließ sich friedlich hineinfallen und
schloß die Augen, um D’Arcys beruhigendes Summen
besser zu hören. Das Gezeter ihrer Mutter versank
allmählich, und das vertraute Dunkel des Schlafs senkte
sich über sie. D’Arcy war ja jetzt da und würde mit der
tobenden Mutter schon fertig werden.
    Phyllis’ Hand krallte sich um Melissas Arm und riß sie
hoch. »Warum soll ich das Kleid denn nicht zerreißen?«
rief sie. »Hast du etwa dafür gezahlt? Aber von
schonendem Umgang hast du noch nie was gehört!« Im
Rhythmus ihrer Worte schüttelte sie Melissa hin und her.
Schließlich stieß sie sie aufs Bett und fing an, das Kleid
methodisch zu zerreißen. Erst trennte sie es der Länge
nach in zwei Teile, dann riß sie mit einem Ruck die Ärmel
herunter und schleuderte sie ihrer Tochter ins Gesicht.
    »Ich weiß nicht, was ich noch mit dir tun soll«, stieß sie
hervor. »Ahnst du denn nicht, wieviel Mühe es mich
gekostet hat, all die Kinder hierherzuholen? Glaubst du
vielleicht, daß sie kommen wollten? Und wie zeigst du
ihnen deinen Dank? Indem du sie beleidigst!«
    Wieder packte sie Melissa mit der rechten Hand und
schüttelte sie heftig. Melissa wurde hin und her
geschleudert, gab aber keinen Laut von sich. Auch machte
sie keinerlei Anstalten, sich mit den Armen gegen die
tobende Mutter zu schützen. Aus weit aufgerissenen
Augen starrte sie ausdruckslos geradeaus. Als ihr Kopf
gegen die Wand flog, verzog sie keine Miene.
    Schließlich hatte Phyllis ihre Wut abreagiert. Keuchend
ließ sie von ihrer Tochter ab, die sofort in sich
zusammensackte. Dann packte sie die Kleiderhälften und
schleuderte sie noch einmal auf Melissa. »Bis morgen hast
du dein Kleid wieder zusammengenäht und ordentlich in
der Kammer aufgehängt«, sagte sie gefährlich leise.
    Sie durchbohrte ihre Tochter mit einem böse funkelnden
Blick, dann drehte sie sich abrupt um und stolzierte aus
dem Zimmer.
    Sobald die Tür zugefallen war, stand Melissa auf und
huschte zum Schminktisch. Mit ausdruckslosen leeren
Augen starrte sie in den Spiegel. Der Kopf saß dabei
sonderbar steif und schief auf dem Hals. Aus dem Spiegel
blickte ihr das eigene Abbild entgegen, aber irgendwie
schien es sich verändert zu haben. Das Gesicht sah
schmaler aus und die Fettpolster waren verschwunden, so
daß die Wangenknochen leicht hervortraten. Insgesamt
wirkten ihre Züge entspannter. Mißtrauisch befühlte sie ihr
Haar und strich es aus dem Gesicht, um die von den
Schlägen noch brennenden Ohren zu streicheln. Nach
einer Weile erhob sie sich, nahm das Kleid in die Hand
und huschte zur Tür. Nachdem sie das Licht ausgeschaltet
hatte, trat sie in die Diele. Sie blieb stehen und lauschte.
Kein Laut drang zu ihr herauf.
    Mit dem zerrissenen Kleid in der Hand huschte sie
weiter bis zu einer schmalen Treppe, die zum Speicher
führte. Erneut verharrte sie kurz. Schließlich schlich sie
vorsichtig die Treppe hinauf, öffnete leise die Speichertür,
schlüpfte in den Raum und zog die Tür hinter sich wieder
zu.
    Der Speicher war fast in vollständige Dunkelheit
getaucht. Durch die schmale Dachluke konnte so gut wie
kein Mondlicht eindringen. Melissa bewegte sich jedoch
sicher und zielstrebig in der Finsternis. Kein einziges Mal
stieß sie sich an den aufgetürmten Kartons, den alten
Truhen und den ausrangierten verstaubten Möbeln. Sie
nahm ihre Umgebung nicht einmal wahr und ging ohne
Zögern weiter, bis sie in ein kleines Mansardenzimmer
kam. Dort standen ein abgewetztes Sofa, ein kleiner Tisch
und eine Kommode. Auf dem Tisch fand sie eine Öllampe
und eine Streichholzschachtel. Melissa legte das zerfetzte
Kleid auf das Sofa und zündete die Lampe an.
    Ein gedämpftes oranges Licht erhellte das winzige
Zimmer Sie huschte zur Kommode und öffnete die
unterste Schublade. Darin befand sich ein Nähkästchen
mit vielerlei Nadeln, Zwirn in allen Farben, Stecknadeln
und Fingerhüten. Mit dem Nähkästchen ging Melissa zum
Sofa zurück, setzte sich und suchte fachmännisch eine
geeignete Nadel und Zwirn in der zum Kleid passenden
Farbe aus. Geschickt führte sie den Faden ins Nadelöhr
und machte sich mit flinken Fingern an die Arbeit. In
präzisen, gleichmäßigen Stichen tanzte die Nadel alsbald
auf und ab.
    Ohne die Umgebung wahrzunehmen, arbeitete Melissa
konzentriert und still im flackernden Licht der Öllampe.
Die Stunden vergingen, doch ihre Finger ermüdeten
nicht, und die Arme taten ihr nie

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