Teuflische Schwester
eingehenden Prüfung.
Das meiste sah vollkommen normal aus. aber an den
Ärmeln und am Oberteil war die Naht anders.
Die Einstiche waren sauber und unauffällig, aber der
Faden war ein kleines bißchen dunkler als der Stoff.
Lächelnd sah sie zur Decke empor. »Danke, D’Arcy«,
flüsterte sie. »Danke, daß du es mir genäht hast.«
4
»Um Himmels willen, Cora, was machst du denn da?« Mit
ihrer durchdringenden Stimme erschreckte Phyllis
Holloway die alte Haushälterin so sehr, daß sie das
Schälmesser in die Spüle fallen ließ.
Sie schielte automatisch auf die Uhr. Es war doch erst
halb zehn. Normalerweise ließ sich Mrs. Holloway
frühestens eine Stunde später in der Küche blicken. Cora
hob das Messer auf und legte es neben die Spüle. Dann
drehte sie sich zu ihrer Arbeitgeberin um. »Ich wollte
einen Apfelauflauf backen«, meinte sie. »Sie wissen ja,
wie gerne Melissa das ißt.«
Phyllis’ Lippen wurden ganz schmal. »Nach ihrem
gestrigen Benehmen verdient sie so etwas wohl kaum,
meinst du nicht auch?« Cora gab keine Antwort. Sie
wußte, daß es sich nur um eine rhetorische Frage handelte.
»Und meinst du nicht auch, daß du Dringenderes zu tun
hast, als einen Apfelauflauf zu backen?« fuhr Phyllis fort.
Cora zog die Augenbrauen leicht hoch. Sie überlegte
blitzschnell, was sie heute schon alles getan hatte. Melissa
hatte längst gefrühstückt, und das Geschirr hatte sie auch
schon abgewaschen. Wie jeden Morgen hatte sie heute
eine große Kanne Kaffee in Mrs. Holloways Zimmer
gebracht. Unten hatte sie vorhin die Abfälle von der Party
weggeräumt und jedes Zimmer gründlich abgestaubt.
Endlich glaubte sie verstanden zu haben. »Mit dem
Staubsaugen habe ich gewartet«, erklärte sie. »Ich wollte
Sie nicht mit dem Lärm belästigen.«
»Das war sehr rücksichtsvoll von dir«, erwiderte Phyllis
etwas nachsichtiger. »Aber eigentlich dachte ich an Teri.
Ich finde, wir sollten allmählich ihr Zimmer herrichten.«
Cora fiel ein Stein vom Herzen. So wie es aussah, blieb
ihr diesmal eine endlose Tirade über irgendeine
Kleinigkeit, die sie angeblich übersehen hatte, erspart.
»Daran habe ich auch schon gedacht«, rief sie. »Vielleicht
sollten wir das Eckzimmer im Ostflügel …« Sie
verstummte, als Phyllis’ Blick sich sichtlich verfinsterte.
»Im Ostflügel?« rief Phyllis. »Aber der ist doch für die
Gäste, weil der Blick so schön ist! Nein, nein, ich dachte
vielmehr an das Zimmer neben dem von Melissa.«
In der Verwirrung kräuselten sich Coras Augenbrauen.
Melissa hatte das Eckzimmer im Südflügel. Daneben lag
doch nichts außer dem Zimmer für das Kindermädchen,
das über das Bad mit Melissas Zimmer verbunden war.
»Ich weiß nicht so recht«, fing Cora an. »Es ist doch
nicht viel mehr als eine Abstellkammer …«
Phyllis ließ sie nicht ausreden. »Wir gehen rauf und
schauen es uns an.«
»Sehr wohl«, murmelte Cora. Sie wischte sich die Hände
an einem Küchentuch ab und folgte Phyllis durch den
Anrichteraum und das Eßzimmer in die große Vorhalle.
Oben knipsten sie erst das Licht an, ehe sie in den engen,
dunklen Raum traten. Kein Vergleich mit Melissas
luftigem, hellem Zimmer! Cora blickte skeptisch um sich.
Der Raum war mit einem kleinen Bett, einem alten
Sekretär an der Wand, einem kleinen Tisch vor dem
schmalen Fenster und einem alten Schaukelstuhl karg
eingerichtet. Den Parkettboden bedeckte ein ausgefranster,
abgetretener Teppichläufer, der ursprünglich im
Gästezimmer gelegen hatte, den man aber den Besuchern
nicht mehr zumuten wollte.
Für das Personal aber war er gut genug.
»Na ja … ist es nicht ein bißchen klein?« fragte Cora,
um die Worte sofort zu bereuen, als sie Phyllis’ erzürnten
Blick auf sich spürte.
»In diesem Zimmer habe ich einmal gelebt, Cora«, hielt
sie der Haushälterin vor. »Und ich kann mich nicht daran
erinnern, mich je darüber beklagt zu haben.«
Lange bist du ja nicht drin geblieben, dachte Cora
mißmutig für sich. Bei ihrer Antwort bemühte sie sich
freilich um einen höflichen Tonfall. »Ich dachte nur, daß
ein Teenager sicher mit einer Unmenge von Kleidern
kommt und vielleicht ein größeres Zimmer braucht.«
Wieder brauste Phyllis auf. »Tu nicht dümmer, als du
bist, Cora!« fuhr sie sie an. »Ich habe heute morgen mit
Mr. Holloway telefoniert. Teri kann von Glück reden, daß
sie mit heiler Haut davongekommen ist. Hältst du es da
nicht auch für eine Schnapsidee, sie in
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