Teuflische Schwester
einem riesigen
Zimmer unterzubringen, wenn sie selbst rein gar nichts
hat? Außerdem dürfen wir unmöglich ihre Erziehung
vergessen. Sie soll sich hier wohl fühlen, aber in einem
Zimmer, das so groß ist wie das ganze Haus ihrer Eltern,
würde sie sich doch nur verloren vorkommen. Siehst du
das etwa nicht genauso?«
Sie hielt kurz triumphierend inne, ehe sie fortfuhr. »Es
dürfte uns ja nicht schwerfallen, das Zimmer freundlicher
einzurichten. Eigentlich hast du gar nicht so unrecht. Die
Möbel habe ich nie gemocht. Aber auf dem Speicher
müßten wir doch etwas Passenderes finden. Ruf bitte
Todd. Er soll die Sachen runtertragen.«
Zwanzig Minuten später folgten Cora, Melissa und Todd
Phyllis auf den Speicher. Die Hausherrin machte die Tür
weit auf, trat ein und blieb jäh stehen.
Die Fußspuren auf dem ansonsten überall dick
verstaubten Boden waren deutlich zu sehen. Phyllis starrte
sie an. Bedrohlich langsam drehte sie sich zu ihrer Tochter
um. »Melissa? Hast du mir nichts zu sagen?«
Beim Anblick der verräterischen Fußstapfen weiteten
sich Melissas Augen in plötzlicher Angst. Mit einem
flehenden Blick wandte sie sich an Cora.
»Bist du letzte Nacht wieder schlafgewandelt?« wollte
Phyllis wissen.
Melissa biß sich auf die Lippen und schwieg. Cora gab
schließlich die Antwort. »Sie war nur wegen der Party
gestern so aufgeregt. Es war das erstemal diesen
Sommer…«
Phyllis’ Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ach ja?
Sind mir nicht vielmehr die anderen Male verschwiegen
worden?« Sie durchbohrte Melissa förmlich mit den
Augen. Als sie wieder zu reden anfing, verriet ihre
Stimme keinerlei Regung. »Sag die Wahrheit, Melissa.
War es das erstemal diesen Sommer?«
Melissa spürte einen Knoten in der Magengrube. Warum
konnte Daddy ihr jetzt nicht helfen? Was sollte sie nur
sagen? Warum fand sie bei ihrer Mutter auch nie die
richtige Antwort? Aber ihre Mutter sah ihr nach wie vor
unbarmherzig in die Augen. Sie mußte etwas sagen.
»Ich … ich weiß nicht, Mama«, murmelte sie. »Ich kann
mich an gar nichts erinnern.«
Phyllis atmete tief ein und ließ die Luft langsam wieder
ausströmen. Dann wandte sie sich an Cora. »Na schön«,
sagte sie. »Wenn sie sich nicht erinnert, kannst du mir
vielleicht sagen, was los war, Cora.«
So knapp es ging, gab Cora wieder, was in der Nacht
geschehen war. »Aber sie hat nichts getan«, meinte sie
zum Schluß. »Sie ist nur in den kleinen Abstellraum
gegangen. Sie schlief ganz friedlich auf dem Sofa, als ich
sie fand.«
Phyllis Blicke bohrten sich noch einmal in Melissa
hinein. Ihre Worte waren dagegen für Cora bestimmt. »Ich
will, daß du dich hier oben weiter umsiehst. Vielleicht
findest du etwas für Teri. Ich fürchte, ich muß mich ein
bißchen mit Melissa unterhalten.«
Sie packte ihre Tochter am Arm und führte sie die
Treppe hinunter und über die Diele. Als die Tür zu
Melissas Zimmer mit einem Knall zufiel, sah Todd seine
Großmutter unsicher an.
»Was passiert jetzt, Oma? Was wird sie jetzt mit Melissa
anstellen?«
Cora sah ihn schweigend an. »Ich weiß es nicht«,
antwortete sie schließlich mit einem Kopfschütteln. »Ich
weiß es einfach nicht.«
Phyllis starrte ihre Tochter schweigend an. Melissa stand
an der Wand neben dem Kamin. Die Hände hatte sie aus
Angst hinter dem Rücken verschränkt. Unter dem
bohrenden Blick ihrer Mutter wurde sie immer unsicherer,
bis sie sich schamrot abwandte. Dann erst trat Phyllis auf
die Kammer zu und riß die Tür auf. Das rosa Kleidchen
hing so da, wie Melissa es verlassen hatte.
Phyllis nahm den Bügel von der Stange und überprüfte
die Nähte. Schließlich sah sie ihrer Tochter wieder in die
Augen.
»Das ist hervorragende Arbeit«, meinte sie. Melissas
Spannung ließ ein bißchen nach, doch sie wartete gebannt
auf die nächste Frage. »Hast du das gemacht?«
Nach einigem Zögern schüttelte Melissa den Kopf.
»Wenn du es nicht warst, wer war es dann?« Phyllis’
Stimme war gefährlich leise. Ihre Frage schien im Raum
zu hängen. Melissa suchte verzweifelt nach einer
plausiblen Antwort. Weil sie keine fand, entschied sie sich
für die Wahrheit. »D’Arcy«, murmelte sie kaum
vernehmbar.
Phyllis kniff die Augen zusammen. »Wer?«
Melissa duckte sich. »D’Arcy«, antwortete sie ein
bißchen lauter. »Ich kann nicht so gut nähen. Drum hat
D’Arcy mir geholfen.«
Phyllis ballte die Fäuste um den hauchdünnen Stoff.
Melissa hatte schon Angst, sie würde ihn
Weitere Kostenlose Bücher